Sternenschimmer
Reh-Blick anglotzt!?« Ich holte tief Luft. »Was ist, wenn das Ganze eine Falle ist? Wenn man sie ganz bewusst zu uns geschickt hat?«
Iason sah erst mich an, danach Mirjam und schließlich Finn.
»Sie ist unsere einzige Chance«, sagte er. Dann trat er zur Seite und gab ihr den Weg frei.
Mirjam ging zur Tür und wandte sich ihm ein letztes Mal zu. »Danke«, hauchte sie mehr, als dass sie es sprach. Und ging.
Iason blickte ihr nach. »Glaube mir. Wenn ich einen anderen Weg wüsste, ich würde ihn gehen.«
»Ich vertraue Mirjam nicht«, sagte ich noch einmal. Dann drehte ich mich zu ihm hin. »Aber dir vertraue ich.«
»Wir sollten uns endlich die Botschaft ansehen«, sagte Finn. Er zog sein iCommplete aus der Hosentasche.
»Lena, es gibt eine neue Botschaft«, sagte er, während wir ins Wohnzimmer gingen. »Gut.« Er nickte. »Bis gleich.« Dann drückte er das Gespräch weg.
»Du hast Lena angerufen?« Der Schreck musste mir im Gesicht gestanden haben.
»Sie besteht darauf, zukünftig in alles, was hier geschieht, miteinbezogen zu werden«, entschuldigte Finn sich.
Iason betrachtete mich mit augenscheinlicher Sorge. »Willst du lieber hochgehen, während sie da ist?«
Ich überlegte kurz, konnte in der Aufregung jedoch keinen klaren Gedanken fassen. Fahrig streifte ich die Ärmel meines Longshirts zurück. »Irgendwie wird’s schon gehen. Ich bleibe.«
Er nickte und wir warteten gemeinsam. Die Zeit zog sich wie Kaugummi.
Finn hatte inzwischen den Video-Chip in den All-View-Screen geschoben und trommelte mit den Fingern immer wieder auf den Rahmen des ausgeschalteten Bildschirms. Iason wartete am Fenster und blickte reglos in den Garten. Ich selbst war bestimmt schon zum hundertsten Mal im Wohnzimmer auf und ab gegangen, als es schließlich Sturm klingelte.
Ich schluckte, wie man schluckt, wenn die Kehle staubtrocken ist.
Iason wollte zur Tür gehen, aber als er sah, wie ich bleich aufs Sofa sank, öffnete er mit dem Summer in der Küche und setzte sich neben mich.
Kurz darauf eilte sie gefolgt von Greta, Barbara und Frank ins Wohnzimmer. Meine beste Freundin. Beinahe hätte ich sie nicht erkannt, so blass und übernächtigt schaute sie aus. Als Lena mich sah, verlor ihre Miene auch noch die letzte Spur an Ausdruck. Es schien, als ob sie ihre Gefühle für mich abgeschlossen und den dazugehörigen Schlüssel in einen tiefen See geworfen hätte.
Lena wandte sich ab und Greta legte den Arm um sie.
Greta bedachte mich mit einem entschuldigenden Mundzucken. Ich sie mit einem schwachen Lächeln, in dem mein ganzer Zuspruch lag.
»Habt ihr euch die Botschaft schon angesehen?«, fragte Frank.
»Nein, wir haben auf euch gewartet«, antwortete Finn. Aber bevor ich einschalte, solltet ihr noch etwas wissen …« Mit wenigen Sätzen erzählten wir, was sich inzwischen ereignet hatte.
Greta war fassungslos. »Du meinst, der Typ will Mia?«
Iason fixierte eine Stelle auf der Tischplatte.
»Es sieht so aus«, antwortete Finn.
»Sollten wir nicht doch lieber die Polizei einschalten«, schlug sie vor.
Iason schüttelte den Kopf. »Ein weiterer Kontakt zur Polizei und Tom ist tot. SAH meint, was er sagt. Das tut er immer.«
»Wer ist SAH?«, fragte Frank. »Ich denke, der Verbrecher, den wir suchen, heißt Die Hand?«
Es war Finn, der ihm antwortete: »Die Stimme, Das Auge und Die Hand sind Brüder. Drei Leben, und doch begreifen sie sich als eine Person, nämlich SAH. Nun, wenn man es genau nimmt, müsste es nur noch SH heißen. Iason hat Das Auge nämlich kaltgemacht. Aber darauf sprechen wir Die Hand besser nicht an.«
»Hat Tom in der letzten Botschaft noch sonst irgendwas gesagt?«, unterbrach ich Finns Exkurs.
Finn schaltete per Blick den All-View-Screen ein. »Tom kündigte eine weitere Botschaft mit genauen Instruktionen für Iason an. Er soll sie genaustens befolgen, sonst …«
Er zögerte.
»Was sonst?« Meine Stimme zitterte.
»Sonst würde Toms Hinrichtung wirklich durchgezogen.«
Lena saß wie eine Wachsfigur auf der Couch.
»Das weist auf einen Austausch hin«, warf Frank ein.
Geschlossenes Schweigen. Und das hieß ja wohl, dass alle anderen dasselbe dachten.
Tom erschien auf dem Bildschirm. Iason hatte mir zwar versichert, dass die letzte Botschaft eine Scheinhinrichtung gewesen war, aber erst jetzt, als ich Tom sah, konnte ich es wirklich glauben. Dennoch spürte ich kaum Erleichterung.
Tom saß in einem abgedunkelten Raum auf dem Boden. Beschienen von einer grellen Lampe,
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