Sternenschimmer
knacken hörte, war es bereits stockfinster draußen. Einzig die Scheinwerfer der vorbeiziehenden Flugschiffe erhellten hin und wieder die Dunkelheit.
»Mia?«, hörte ich die Stimme meiner Mutter aus dem Flur. Kurz darauf öffnete sich meine Zimmertür.
Mein Anblick musste furchtbar gewesen sein, denn als sie den Kopf hereinstreckte und das Licht anknipste, entglitten ihr die Gesichtszüge. Sie kam schnurstracks auf mich zu, warf die Arme um meinen Körper und zog mich an sich. Ich begann wieder zu weinen, und da ich mich nicht beruhigen ließ, heulte sie kurze Zeit später einfach mit. Es dauerte lange, bis ich etwas die Fassung wiedererlangte. Dann sagte ich ihr alles, erzählte und erzählte – mit Unterbrechungen, wenn eine neue Tränenwelle über mich schwappte.
Meine Mutter verließ mich nur, wenn sie neues Sahneeis besorgte, das wir wie Gestörte in uns reinstopften. Sie strich mir fortwährend über den Rücken, drückte mich an sich oder wischte die Tränen von meinen Wangen.
»Dieser Iason scheint ein sehr kluger junger Mann zu sein«, sagte sie schließlich, nachdem ich ihr von der Geschichte am Meer erzählt hatte. »Weniger wäre auch nicht gut genug für dich.«
»Aber er verachtet mich«, wimmerte ich.
Meine Mutter richtete sich auf und legte die Hände an mein Gesicht.
»Das glaube ich nicht. Wenn er das täte, wäre er ein Narr, und in einen solchen würdest du dich nie verlieben.«
»Ab… aber wa… wa… warum sagt er dann so was?« Jetzt heulte ich erst richtig los.
»Vielleicht hat er Angst, dass du ihn nur magst, weil er aus Loduun kommt, oder dass du ihn aus genau diesem Grund eben nicht mögen könntest.« Sie beugte sich etwas vor, damit sie mir in die Augen schauen konnte. »Überleg doch mal. Wenn er tatsächlich denkt, du würdest unter den Loduunern keine Unterschiedemachen und sie alle nur für Rebellionszwecke missbrauchen, was soll Iason dann glauben, ist e r für dich?«
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Hätte ich es nicht selbst erlebt, mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass Mütter dermaßen intelligente Rückschlüsse ziehen könnten.
»Mia, hast du ihm auch nur ein Mal in Ansätzen zu verstehen gegeben, was du wirklich für ihn empfindest? Dass du ihn magst, weil Iason einfach Iason ist?«
Eine weitere Träne rann aus meinem Augenwinkel und ich deutete schniefend ein Kopfschütteln an.
»Weißt du, mein Schatz, manchmal ist es gar nicht so verkehrt, zu zeigen, dass man verletzbar ist.«
Ich nahm das Taschentuch, das sie mir entgegenhielt.
Meine Mutter legte sich neben mich und hielt meine Schultern fest umschlungen. Immer wieder strich sie über mein tränendurchweichtes Haar und erhob sich erst, als sie glaubte, ich sei eingeschlafen.
Leise stand sie auf, ging aus meinem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Doch schlafen konnte ich trotzdem nicht. Stattdessen wälzte ich mich im Bett herum und ertrank in Verzweiflung. Ich sah aus dem Fenster, hinauf zu den Sternen, die sich blass hinter dem getönten Kuppelglas abzeichneten. Was Iason wohl gerade dachte?
Ich durchstreifte meine Erinnerungen an die Momente, als seine strahlenden Augen sich in meiner Gegenwart verdunkelt hatten. Die Strandbar, in der Lena und ich ihm von unseren Streitereien mit Mirjam erzählt hatten, die Diskussion in der Schule, als wir den Gummihühnern eins auswischen wollten.
» … Es ist doch völlig egal, wer sie sind oder woher sie kommen … « Es war nicht egal, ganz und gar nicht.
» … Unsere Aufgabe sollte es nicht sein, Loduuner in ihren Rechten zu beschneiden, sondern sie auf das, was sie auf der Erde erwartet, vorzubereiten…« Wen hatte ich versucht zu spielen? Gott? » … Die Kinderaus Loduun werden wahrscheinlich nie die Gelegenheit haben, sich mit solchem Wohlstandskram wie Laserschminke zu beschäftigen …« Wieso nicht? Sie waren über die Maßen intelligent, und durchsetzungsfähig, wenn sie etwas wollten. Mein Mitleid musste wohl die größte Demütigung gewesen sein. Worte wie »Toleranz« ließen sich nun mal so und so verstehen.
Seufzend rollte ich mich unter der Decke zusammen. Es waren so viele Momente, in denen Iason geglaubt haben musste, nicht mehr als ein Werkzeug für mich zu sein. Bisher hatte ich immer gedacht, ich verstand vieles, was andere nicht verstehen. Jetzt wusste ich, ich hatte rein gar nichts kapiert.
10
N ein, das Ganze war auch an Iason nicht spurlos vorübergegangen. Düster und still bewegte er sich durch den
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