Sternenschimmer
anders … Ja, er wird sich morgen entschuldigen.«
Verflucht, Bert. Konnte er sich nicht mal etwas deutlicher ausdrücken. Ich verstand nämlich gar nichts.
»Ich rede mit ihm und komme dann morgen früh um acht Uhr in Ihr Büro … So machen wir’s … Vielen Dank. Bis morgen dann.«
»Was ist denn?«, fragte ich, nachdem Bert den Hörer aufgelegt hatte und sich über sein Gesicht fuhr.
»Ariel hat auf dem Heimweg einem Jungen die Nase blutig geschlagen. Und angeblich nicht zum ersten Mal.«
»Und jetzt?«
»Die Rektorin weiß sich bald keinen Rat mehr. Sie beteuert zwar, sie habe Verständnis für Ariels schwierige Situation, aber die Eltern steigen auf die Barrikaden.« Bert seufzte. »Was mache ich bloß mit dem Jungen?«
Ja, was war zu tun? Ariel ließ nach wie vor niemanden an sich heran. Hope war die Einzige, mit der er überhaupt redete. Vielleicht hatte Iason eine Chance?
Ich hoffte das Beste und weihte Bert in meine Idee ein.
Bert nickte und ging sogleich nach oben, um Iason zu bitten, sich der Sache anzunehmen.
Wenige Minuten später lehnte Iason mit der Schulter am Apfelbaumund redete auf Ariel ein. Der Junge stand wie ein Häufchen Elend vor ihm und starrte ins Gras. Ich beobachtete die beiden unauffällig durch das Küchenfenster, und so wurde ich auch Zeuge, wie Iason sich schließlich zu Ariel hinabbeugte und ihm durch das Haar wuschelte. Ariels Gesicht erhellte sich, und als Iason den Jungen an den Hüften packte, ihn sich auf die Schultern warf und mit ihm zum Haus zurückkehrte, sah ich Ariel zum ersten Mal lachen. Schnell widmete ich mich wieder Luna, die auf einem Bleistift kauend über den Hausaufgaben saß. Nicht, weil ihr diese schwerfielen, der Schulstoff schien den loduunischen Kindern rundweg zuzufliegen, aber Luna sah einfach nicht ein, dass sie Dinge, die ihr sonnenklar waren, noch einmal zu Hause vertiefen sollte.
»Ihr strahlt ja so«, begrüßte ich die beiden, als sie durch die Terrassentür traten. Und da ich vor Erleichterung ganz vergaß, böse auf Iason zu sein, fragte ich ihn durch eine Geste, wie er das geschafft hatte.
»Das ist ein Männergeheimnis«, sagte Iason nur.
»Genau«, bekräftigte Ariel seine Worte, bevor er den Kopf einzog, und mit Iason durch die Tür verschwand.
An diesem Abend beschloss ich, dass es so einiges gab, was ich in mir klarkriegen musste. Also setzte ich mich zu Hause an den Schreibtisch und knipste die Lampe an. Ich nahm mein iPad aus der Schublade und erstellte einen Punkteplan, damit ich wenigstens irgendwo ein wenig Ordnung in mein Leben brachte. Ich klickte auf die Tabellenfunktion, zwei Spalten, und schrieb in die erste:
Was ich an Iason hasse:
Er ist arrogant, eingebildet und hat falschen Stolz.
Er macht mir auf unverschämteste Weise immer wieder Vorwürfe.
Er ist tyrannisch und mir oft auf eine düstere Art unheimlich!
Zweite Spalte:
Was ich an Iason mag:
Er ist selbstbewusst, einfühlsam und gibt nicht so schnell auf.
Seine Kritik ist manchmal auch ein klein wenig berechtigt.
Er zieht mich unheimlich an.
Wenn man jetzt die negativen Aspekte gegen die positiven aufwog, müssten sie sich neutralisieren. Sprich: Iason müsste mir egal sein. – Aber wollte ich das überhaupt …?
Unser Waffenstillstand sollte nicht lange anhalten. Bereits am nächsten Tag – ich war mit Lena gerade auf dem Weg zur Mensa – kam Iason mir mit finsterer Miene und einem beladenen Tablett entgegen. Als sich die automatische Glastür zwischen uns öffnete, bedachte er uns mit einem knappen Kopfnicken und ging hinaus. Das Einzige, was mich erleichterte – soweit man in einem solchen Fall überhaupt von Erleichterung sprechen kann – war, dass er Mirjam, die nach uns die Mensa betrat, genauso zurückhaltend begrüßte.
Nachdem ich mein Tablett mit Reispfanne und Orangensaft bestückt hatte, setzten Lena und ich uns zu Frank und Barbara an einen Tisch an der Glasfront. Die anderen redeten über dies und das, aber ihre Gespräche rauschten komplett an mir vorbei. Schweigend stocherte ich auf meinem Teller herum und blickte immer wieder nachdenklich aus dem Fenster. Iason aß viel, das wusste ich. Diesmal war sein Tablett aber über die Maßen vollgeladen gewesen. Und warum hatte er damit die Mensa verlassen?
Frank war gerade aufgestanden, um sich noch ein Wasser zu besorgen, als mir ein Gedanke durch den Kopf schoss. Iason würde doch wohl nicht …?
Ich pfefferte meine Gabel zurück auf den Teller. »Das geht zu weit«,
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