Sternenschimmer

verschlagen.
    Da stand er, so schön, dass es wehtat, mit Augen, die sofort Pingpong mit meinen Atomen spielten, und einem Lächeln, dasden kläglichen Rest, den seine Augen mir ließen – quasi nur noch meine Hülle – dazu verbannte, ihn einfach nur anzuschauen.
    »Äh – ja.« Ich zwang mich, den Blick abzuwenden, und nahm fahrig meine Tasche vom Sitz.
    »Das Grün steht dir gut«, bemerkte er und setzte sich.
    Ich wollte etwas sagen, hatte aber keine Ahnung mehr, wie das ging.
    »Es betont deine Augen«, fuhr er fort.
    Mirjam saß zwar mit dem Rücken zu uns, hatte aber alles mitbekommen, das zeigte ihre Haltung.
    Ein vorsichtiges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Ich wollte dich eigentlich schon zu Hause abholen, aber Hope hat auf dem Schulweg so getrödelt.«
    Das mit dem Reden war immer noch ziemlich schwer für mich. »Deine Jacke.« Schüchtern gab ich sie ihm zurück. »Danke noch mal.«
    »Es war mir eine Ehre.«
    Mirjam verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke.
    Unwohl sah ich mich um. »Wollen wir uns vielleicht weiter nach hinten setzen?«
    Iason stand auf und ließ mir den Vortritt.
    Mit offenen Mündern starrten uns die Gummihühner hinterher. Nur Mirjam nicht. Ihr Blick blieb steif geradeaus gerichtet.
    Ein bisschen Genugtuung spürte ich schon, als wir uns auf der letzten Bank niederließen.
    Die Entfernung zu den Gummihühnern ließ mich dem Ganzen etwas entspannter begegnen.
    »Warum wolltest du mich abholen?«
    Er zögerte, so als müsste er meine Frage erst in seine Sprache übersetzen, um sie zu beantworten. »Ich weiß es nicht«, gestand er dann.
    »Wie, du weißt es nicht?«
    Ohne auf meine Worte einzugehen, schaute er aus dem Fenster. Eine Weile lang schien er ganz und gar mit sich selbst beschäftigt. Ich versuchte, aus seinem Gesicht zu lesen, lenkte meine Augen verstohlen in seine Richtung und schob meinen Oberkörper etwas nach vorn. Millimeter um Millimeter. Ganz unauffällig. Aber das reichte nicht, und weitervorbeugen wäre zu aufdringlich. Verlegen fummelte ich am Verschluss meiner Tasche rum. Bis sein Blick wieder meinem begegnete, studierend, als wäre ich das Rätsel. Also, er besaß wirklich eine Gabe, die Tatsachen zu verdrehen. Anschließend huschte etwas verstörend Hilfloses durch sein Gesicht. »Ich musste einfach«, antwortete er.
    Diese Aussage half mir zwar auch nicht weiter, aber bekannterweise war es ja manchmal schwer, aus Iason schlau zu werden.
    Kopfnickend wies er zu den Gummihühnern. »Haben sie dich sehr in die Zange genommen?«
    »Das übliche Programm«, sagte ich gleichgültiger, als es mir war.
    »Es gefällt mir nicht, wie sie dich ansehen«, sagte er.
    Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mit denen werde ich schon fertig.«
    »Es gefällt mir trotzdem nicht.«
    Woher der Kurswechsel, was die Gummihühner anging?
    »Ich dachte immer, du hältst ihnen die Stange?«
    »Das habe ich zu keiner Zeit getan«, sagte er. »Aber ich mag es auch nicht, wenn du sie reizt.«
    Genauso gut hätte ich Hieroglyphen entziffern können. Vielleicht wäre ich damit sogar weiter gekommen.
    Und was sollte überhaupt dieser bestimmende Tonfall? Er tat gerade so, als wäre er mein Leibwächter. Also eins war so sicher wie die Fliege, die da zermatscht an der Fensterscheibe klebte, solche Spielchen wie die mit Hope konnte er sich bei mir gleich abschminken!
    Ach, es tat gut, ein bisschen böse auf ihn zu sein. Das gab mir etwas Raum und hielt mich davon ab, ihn wie ein verliebter Goldfisch anzustarren.
    Die Gummihühner verfielen nun in wilde Tuscheleien.
    »Worüber reden sie?«, fragte ich neugierig.
    Iason schüttelte den Kopf. »Das willst du nicht wissen, glaub mir.«
    Den Rest der Fahrt sagte keiner von uns beiden etwas.
    Warum, fragte ich mich, hatte er diesen Umweg auf sich genommen, wenn er nicht mal vorhatte, mit mir ein vernünftiges Wort zu wechseln? Ich meine, eines, das Sinn ergab? Und genau diese Frage zog ja wohl weitere nach sich.
    Wieso sprach er überhaupt mit mir – bei der schlechten Meinung, die er von mir hatte?
    Weshalb machte er sich plötzlich Sorgen um mein Verhältnis zu den Gummihühnern – bei der schlechten Meinung, die er von mir hatte?
    Und wieso war er seit gestern so nett zu mir, wenn er doch eigentlich eine schlechte Meinung von mir hatte?
    Nun ja, das mit der schlechten Meinung schien sich erledigt zu haben. Aber warum? Ich bekam das nicht zusammen.
    Das Schiff parkte vor der Schule. Die Gummihühner flatterten auf und