Sternenschimmer
verzweifelt zugleich die Hand auf die Augen. Meine Mutter und Iason hatten sich bereits verbündet, noch bevor sie sich überhaupt kennengelernt hatten. Na, das konnte ja heiter werden.
»Vielen Dank auch«, giftete ich nach vierundzwanzig Stufen und nicht weniger Ideen, auf welche Weise ich ihm das heimzahlen würde.
»Immer wieder gern.«
»Ich habe dir ausdrücklich gesagt, dass ich nicht getragen werden will!«
»Ich weiß zwar nicht, was daran kitschig oder peinlich sein soll, wenn einem geholfen wird, weil man selbst nicht mehr kann, aber ich habe schon verstanden, dass du nicht getragen werden möchtest.«
»Warum tust du es dann?«
»Ich trage dich nicht.«
»Nicht?«
Ich sah an mir hinab und erkannte –, dass ich frei in der Luft schwebte!
»Oh!«
Weshalb war ich ihm dann aber so nah? Da läutete es in mir wie auf einem Glockenturm. Nicht er hielt mich fest, sondern ich hatte reflexartig den Arm um seinen Hals gelegt!
Ich riss die Augen auf.
Verlegen zog ich meine Hand zurück. Würde ich jetzt eineBruchlandung hinlegen? Nein. Ich schwebte wie ein Heißluftballon vor ihm her. In meinem nächsten »Oh!« lag nichts als Erstaunen. So wurde ich noch acht Stufen dahintelekiniert, bis er mich auf dem letzten Treppenabsatz vorsichtig hinabsenkte, wo wir meine Mutter und die Wohnungstür erreichten. Iason war so dicht hinter mir, dass meine Mutter demselben Trugschluss erlag, wie ich noch vor wenigen Augenblicken.
Als sie sich besorgt nach dem Befinden ihrer getragen werdenden Tochter – also meiner Wenigkeit – erkundigt und Iason ihr versichert hatte, es wäre nur ein überaus anstrengender Tag für mich gewesen, stellte er sich ihr mit einem freundlichen Händedruck vor. Meine Mutter, entzückt von so viel Höflichkeit, bat ihn sofort, einzutreten. Er bedachte sie daraufhin mit einem charmanten Lächeln, das die Begeisterung meiner Mutter auf ein absolut übersteigertes, ja beinahe ekstatisches Maß in die Höhe trieb und sie veranlasste, in die Küche zu huschen und für uns alle Tee zu kochen.
So elegant, wie man eben wanken kann, wankte ich durch den Flur, verknickte mir den Fuß und humpelte weiter.
Iason aber blieb am Eingang stehen. Ein bisschen nervös drehte ich mich zu ihm um. »Kommst du nicht mit?«
»Bert wartet«, sagte er.
Ich spürte einen Anflug von Bedauern.
Sein Zögern verriet, dass er den Abschied genauso wenig wollte wie ich.
»Mia, kommst du mal!«, rief meine Mutter.
»Ähm.« Per Blick deutete ich fragend zur Küchentür.
»Geh nur«, meinte Iason. »Ich warte so lange.«
In der Küche zog meine Mutter mich vor die Tür der Speisekammer und flüsterte enthusiastisch: »Mensch, Mia, endlich hast du einen Freund.«
»Mum!«
Erleichtert legte sie beide Hände aufs Herz. »Mäuschen, ich freu mich doch nur für dich. Und er ist so galant.«
» Sei still«, zischte ich in heller Panik.
Sie winkte ab. »Ach, das hört er doch nicht.«
»Hast du ’ne Ahnung«, stöhnte ich.
Meine Mutter ging mit drei Teetassen und einem »Es war alles ein bisschen viel für sie in der letzten Zeit«, in den Flur zurück. Iason nickte, und sie bot ihm eine Tasse an.
Der offensichtliche Traumschwiegersohn meiner Mutter lehnte dankend mit Hinweis auf den wartenden Bert ab. Moment! Was dachte ich da gerade? Der Traumschwiegersohn meiner Mutter??? Wie schrecklich war das denn? Ein absolutes No-Go! Ich sollte Iason die Haare färben und ihm einen Irokesenschnitt verpassen, ihn piercen und seinen Körper bis zu den Lippen tätowieren. Denn so konnte das definitiv nicht weitergehen.
»Also dann, vielen Dank, dass Sie meine Mia heimgebracht haben«, sagte meine Mutter, als Iason sich zum Gehen wandte.
»Das war das Mindeste, was ich tun konnte.« Er warf mir einen kurzen Blick zu. »Es war nett, Sie kennengelernt zu haben, Frau Wiedemann.«
»Sag ruhig Ariane zu mir.«
Ich versank fast im Boden. Alle meine Albträume wurden wahr.
»Danke. Ich bin Iason. Also dann … Wir sehen uns, Mia.«
Nachdem »Ariane« zum x-ten Mal beteuert hatte, er sei jederzeit bei uns willkommen, schloss sie die Tür und drehte sich zu mir um. »Iason ist wirklich sehr nett.«
»Er ist nicht nett«, entgegnete ich knapp. »Er ist arrogant und hält sich für wesentlich cleverer, als wir Irden es je sein könnten.«
Meine Mutter wirkte zunächst etwas verwirrt. Aber dann schien sie zu begreifen. »Stimmt. Er ist ein ekelhafter Typ«, pflichtete sie mir übertrieben ernst bei.
Ich äugte verstohlen zu
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