Sternenschimmer
Dann entglitten ihm schneidend scharfe Zischgeräusche, die ich sofort als loduunische Flüche begriff.
»Fragst du dich gerade, warum du ausgerechnet mit diesem Sinn gestraft bist?«
Er ging auf die gegenüberliegende Wand zu und stützte sich mit den Händen daran ab. »So in der Art.«
Ich wartete.
Iason stand noch eine geraume Weile so da. Abgewandt. Schweigend. Bis sich seine Hand an der Wand wölbte. »Bitte, Mia, tu mir das nicht an.« Und er verlor sich wieder in Schweigen.
Was meinte er damit? Was um Himmels willen meinte er damit!?
» Iason?«, fragte ich irgendwann vorsichtig. »Was ist mit denen, die ihren Sinn nicht erfüllen können?«
Er warf mir eine müdes Lächeln zu. »Du meinst, weil jemand es verhindert hat?«
Ich nickte.
»Sie blicken von da an ins Leere. Die meisten nehmen sich irgendwann selbst das Leben, weil sie die Sinnlosigkeit ihrer Existenz nicht mehr ertragen.«
Und das war der Moment, in dem mir erst richtig bewusst wurde, dass es für uns so oder so kein Happy End geben konnte …
Das Quietschen der Türen biss uns in die Ohren. Je zwei Polizisten traten in unsere Zellen, um uns dem Haftrichter vorzuführen. Ich rappelte mich umständlich auf, bis ich schließlich mit schmerzenden Beinen zum Stehen kam. Obwohl Iason sich nicht wehrte und ganz ruhig blieb, legten sie ihm Handschellen an.
Die Umstände überzeugten mich jedoch schnell davon, meinenÄrger herunterzuschlucken. Wir saßen schließlich tief genug in der Patsche.
Das Schlimmste war allerdings, dass Mirjam recht behalten sollte. Der vorgegebene Tiertransport war legal angemeldet gewesen und deshalb konnte uns der Richter auch ebenso legal wegen unbefugten Betretens des Firmengeländes und Einbruchs verurteilen. Das Ergebnis unseres nächtlichen Ausflugs waren fünfundachtzig Arbeitsstunden für jeden von uns. Die Tatsache, dass wir unsere Komplizen nicht preisgaben, verschaffte uns weitere zehn. Was das konkret bedeutete? Tja, wir sollten mit schöner Regelmäßigkeit an den Nachmittagen Parkpflege verrichten. Mich wunderte allerdings, dass Iason als Volljähriger das gleiche Strafmaß erhielt wie ich. Da wir mit diesem Ausgang jedoch mehr als zufrieden sein konnten, hütete ich mich davor, etwas zu sagen.
Als wir endlich in die Freiheit entlassen wurden, war es bereits viel zu spät, um noch einmal in die Schule zu gehen. Nach Hause wollte ich allerdings auch nicht. Meine Mutter war nach der Gerichtsverhandlung, ohne sich zu verabschieden, gegangen. Die Vorstellung, in unserer Wohnung auf sie zu treffen und mir das Donnerwetter abzuholen, fand ich gar nicht gut. Also entschied ich mich, mit Iason in den Tulpenweg zu fahren. Damit ich aber nicht noch mehr Ärger bekam, rief ich meine Mutter an, um mir, ganz reumütige Tochter, ihre Erlaubnis abzuholen. Sie brummte etwas von »Ist vielleicht besser so« und beendete das Gespräch dann kurze Zeit später. Mit dieser Reaktion hatte ich gerechnet, denn wenn meine Mutter ernsthaft böse auf mich war, ging auch sie mir lieber aus dem Weg. Dafür reagierte Tanja nachmittags im Tulpenweg umso schärfer.
»Mia, was ist bloß in dich gefahren?«, schimpfte sie, nachdem sie mir eine gute Weile den Kopf gewaschen hatte. »Du hast hier im Tulpenweg eine Vorbildfunktion, da kannst du dir doch keine Einträge in deinem Führungszeugnis leisten!«
»Ich weiß«, murmelte ich betreten.
Tanja ging zum Fenster und blickte hinaus. »Als deine Chefin muss ich dich darauf hinweisen, dass dieser Vorfall eine direkte Abmahnung zur Folge hat. Und wenn so etwas noch mal vorkommt …« Sie seufzte. »Ich will mir das gar nicht weiter ausmalen.« Dann wandte sie sich wieder um und kam mit strenger Miene auf mich zu.
Statt mir eine weitere Standpauke zu halten, schloss sie mich jedoch in die Arme. »Als deine Freundin aber«, flüsterte sie mir ins Ohr, »sage ich dir, ich bin stolz auf dich.«
Ich war ganz verdattert, als sie mich wieder losließ.
»So«, sagte Tanja abschließend wieder schroffer. »Und jetzt möchte ich mit Straftäter Nummer zwei sprechen!
Als sie die Küchentür öffnete, um mich hinauszuschicken und Iason hereinzuordern, trafen er und ich uns auf der Schwelle. Iason musterte mich besorgt. Na klar, er hatte trotz verschlossener Tür alles mit angehört, bis auf das, was Tanja mir ins Ohr geflüstert hatte. Ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.
»Hrm«, räusperte sich Tanja mit inquisitorischer Strenge.
Iason wandte das Gesicht von mir ab, ging
Weitere Kostenlose Bücher