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Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Titel: Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor er ebenfalls ins Haus ging. »Nimm sie nicht zu hart ran.«
    »Wenn sie eine Sternenhüterin werden will, muss sie es lernen, oder sie stirbt schneller, als dir lieb sein wird. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.« Damit spielte Torge auf die kurze Lebenserwartung seiner Freundin an. Zwar würde er vor ihr sterben, aber das Wissen, sie allein zu lassen, quälte ihn.
    Die folgenden beiden Stunden zwang Torge sie, ihn immer wieder und wieder anzugreifen, bis ihre Arme und Beine so sehr zitterten, dass sie den Stab kaum noch halten konnte. Nachdem er ihn ihr erneut aus den Händen gerissen hatte, beugte sie sich keuchend vor. Punkte tanzten einen wilden Reigen vor ihren Augen, und sie war kurz davor, einfach in den zertrampelten Schnee zu fallen. Da spürte sie eine prankenartige und dennoch sanfte Hand auf ihrem Rücken. »Ich denke, es reicht für heute.« Plötzlich brüllte Torge in ohrenbetäubender Lautstärke nach Raphael, der auch sofort aus der Hütte geeilt kam. »Bring sie nach Hause.«
    Sorgenvoll musterte Raphael sie. »Du solltest sie nicht so überanstrengen.«
    »Willst du, dass sie sich verteidigen kann, oder nicht?«
    »Im Moment ist selbst ein neugeborenes Kätzchen wehrhafter als sie.«
    »Dann bring sie sicher ins Bett und lass mich meine Arbeit machen.« Torge zwinkerte ihr aufmunternd zu, klopfte Raphael freundschaftlich auf die Schulter und ließ sie allein. Die harschen Worte seines Freundes waren einfach an ihm abgeperlt. Wenn jemand verstand, was es bedeutete, sich Sorgen um den Menschen, den man liebte, zu machen, dann er.
    Raphael hob sie hoch und setzte sich mit ihr in den Armen in Bewegung. Zuerst wollte sie protestieren, aber sie fühlte sich zu schwach und war sich nicht sicher, ob sie überhaupt in der Lage wäre, den Heimweg zu Fuß zurückzulegen. So schmiegte sie ihren Kopf an seine Schulter und genoss das sanfte Wiegen seiner Schritte, bis sie in Halbschlaf versank.
    Am nächsten Tag sollte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie sie es ins Bett geschafft hatte. Die Tatsache, dass sie noch immer ihre verdreckte Jeans trug und selbst die feuchten Socken nicht gewechselt hatte, sodass ihr Schnupfen erneut schlimmer wurde, sprach allerdings Bände über den Grad ihrer Erschöpfung.

19
    † W er konnte es nur sein?, fragte Lilly sich ein ums andere Mal, während sie den menschenleeren Gang entlangeilte. Sie hatte bereits einen langen Schultag hinter sich, und noch war er nicht zu Ende. Der heftige Muskelkater, der sie plagte, machte es auch nicht besser.
    Wie sollte sie darauf eine Antwort finden? Immerhin gab es keine Gewissheit, dass Lucretia sich tatsächlich an der Schule befand oder sich nur im Ort verbarg. Und falls sie hier war, handelte es sich bei ihr um einen Schüler oder Lehrer? Mann oder Frau? Wonach sollte sie Ausschau halten? Sie wollte kein Leben führen, in dem sie alle in ihrer Umgebung misstrauisch beäugte, trotzdem merkte sie, wie sie sich unbewusst verkrampfte und für einen Angriff wappnete, als ihr ein schmal gebauter, sommersprossiger Unterstufenschüler entgegenkam. Torge wäre höchst erfreut gewesen, wenn er gesehen hätte, wie sie darauf achtete, beim Laufen nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten und bereit zu sein, sich in eine stabile Ausgangsposition zu bringen.
    Nachdem der Junge sie mit einem flüchtigen Gruß passiert hatte, atmete sie erleichtert aus und beschloss, da sie eine Freistunde hatte, in den Park hinauszugehen. Der Schnee glitzerte hell im Sonnenlicht, und ein Schwarm Vögel stritt sich um die Meisenknödel, Apfelstücke und Nussbeutel, die von der Naturschutz- AG in den Bäumen aufgehängt worden waren. Sie setzte sich ihnen gegenüber auf eine Bank, vergrub ihre Hände in den Taschen und sah dem lautstarken Treiben der kleinen Tiere zu. Dabei durchforstete sie ihr Gedächtnis nach irgendwelchen Hinweisen, ob sich jemand plötzlich seltsam verhielt. Calista vielleicht? Oder Michelle? Beide interessierten sich auffällig stark für die Stargazer. Wie die Hälfte aller Mädchen im Internat verwarf sie den Gedanken gleich wieder. Es half auch nicht, dass sie keinen Anhaltspunkt hatten, wie lange sie schon hier lebte. Dadurch konnte sie praktisch keinen Schüler und kaum einen Lehrer ausschließen. Sie seufzte. Auch an Samuel oder Ansgar war niemandem etwas aufgefallen. Diese Kreaturen waren gut darin, sich zu verbergen. Selbst die Unerfahrensten unter ihnen. Eine alte Bestie wie Lucretia musste mit

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