Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
Hautfarben ein nahezu unüberwindliches Hindernis. Es war undenkbar, als Weißer mit einem Schwarzen oder Indianer zu reisen, ohne viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder Schlimmeres.
So streifte ich ziellos durch die Länder und endete irgendwann im hohen Norden mit seiner eisigen Kälte und harten Bewohnern. Nachdem ich auf eine ebenso junge Sternenseele namens Tykke gestoßen war, setzten wir unseren Weg gemeinsam fort. Er war vor einigen Jahren von einem Baum erschlagen worden und froh, endlich jemanden zu treffen, der wie er war. Wie soll ich ihn beschreiben? Ebenso wie seine roten Haare seinen Kopf in Flammen stehen ließen, brannte auch er. Er war voller Energie, wollte tausend Dinge zur selben Zeit erledigen, nur um sie genauso schnell wieder zu vergessen. Mit Tykke konnte man viel Spaß haben, nur für das Leben als Sternenseele war er nicht geschaffen. Er ertrug den ständigen Kampf nicht, dass alle, die er kannte und liebte, starben, sich die Welt ohne sein Zutun veränderte und er niemals wieder sesshaft werden konnte. Bis heute bin ich der Überzeugung, dass er dem Schwerthieb der Bestie, die ihn Jahre später tötete, hätte ausweichen können, wenn er nur gewollt hätte. Aber er wollte nicht.
Als wir uns kennenlernten, war davon aber noch nichts zu merken. Ich genoss seine Gesellschaft, und seine Fähigkeiten als Dieb bescherten uns die ein oder andere gut gefüllte Börse, sodass wir uns um Geld keine Sorgen machen mussten. Ich führte uns immer weiter in den Norden hinauf, bis wir zu einem heruntergekommenen Ort kamen, der sich im Schutz eines kleinen Wäldchens verbarg. Unerfahren, wie wir waren, bemerkten wir nicht, dass wir nicht allein waren. In düsteren Nächten flüsterten sich die Bauern vor dem Kamin Geschichten über eine Furcht einflößende Frau zu, mehr Dämon als Mensch, die sich von den Schreien ihrer Opfer nährte.
Schüttelt nur den Kopf über so viel Dummheit, aber mehr als Gelächter hatten wir nicht übrig für deren Erzählungen.
Wir kamen in einer Scheune unter und wollten uns nur ein paar Nächte von der Kälte erholen, bevor wir uns nach einem gastlicheren Flecken umsehen wollten. In diesem Ort verrammelten die Bewohner jede Nacht Türen und Fenster, sogar die Schenke schloss bei Sonnenuntergang. Alles dünstete den Geruch von Angst aus, selbst die Hunde zogen es vor, sich zu verkriechen, anstatt ihrer Aufgabe als Wächter nachzukommen.
In unserer zweiten Nacht hörte ich an der Scheune jemanden vorbeieilen. Hinter dem Gebäude lag nur der Wald, sodass mich die Neugierde packte, was einen Dorfbewohner um diese Zeit aus dem Schutz seines Hauses treiben könnte. Ich rüttelte Tykke wach – wir hatten damals noch nicht verstanden, dass wir keinen Schlaf mehr benötigten – und eilte mit ihm nach draußen.
»Was interessiert es mich, was ein Bauer treibt«, murrte Tykke. Der Mangel an Unterhaltung drückte auf seine Laune, und für das Landleben hatte er ohnehin nicht viel übrig.
Im frisch gefallenen Schnee konnte ich deutlich die Spuren eines Menschen ausmachen, die tatsächlich in den Wald führten. Ich zog meinen maulenden Freund hinter mir her, und schnell, wie wir waren, entdeckten wir schon bald die schemenhaften Umrisse einer Person vor uns.
»Das ist ein Mädchen«, flüsterte Tykke mir zu, und ich glaubte ihm sofort. Vertreter des weiblichen Geschlechts erkannte er mit untrüglicher Sicherheit.
Wir teilten uns auf, überholten sie und schlossen an ihre Seite auf. Bevor sie wusste, wie ihr geschah, packte ich sie am Arm und presste eine Hand auf ihre Lippen. Sie starrte mich voll Entsetzen an, während ich unseren Fang musterte. Selbst für diese kalte Gegend war das Mädchen viel zu dick eingepackt. Ich fragte mich, wie sie sich unter all den Fellen und Lagen Stoff noch bewegen konnte. Unter ihrer Pelzmütze quoll ein Wust rotblonder Locken hervor, und ihr spitzes Kinn reckte sie trotz ihrer Furcht trotzig vor. Am eindrucksvollsten fand ich aber ihre etwas schräg stehenden Augen, deren Moosgrün von kräftigen braunen Sprenkeln durchbrochen wurde.
Ich bedeutete ihr, leise zu sein, bevor ich die Hand von ihrem Mund nahm. Wie ein verängstigtes Reh sog sie zittrig Luft ein und sprach dann in der schweren Zunge des Nordens zu mir. »Tötet mich nicht«, bat sie. »Mein Vater wird euch geben, was ihr verlangt, solange ihr mich am Leben lasst. Er hat doch nur noch mich, um meine Geschwister zu versorgen.«
»Was suchst du hier draußen?«, unterbrach Tykke
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