Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
stürzte, als sie ihm einen Hieb in den Rücken versetzte.
Ich zögerte nicht länger, riss ein Brett aus der Scheunenwand und schmetterte es gegen ihren Rücken, doch sie zuckte nicht mal zusammen. Stattdessen wandte sie sich zu mir um, stieß mir ihre flache Hand gegen den Brustkorb, sodass ich zur Seite geschleudert wurde und die Luft pfeifend aus meiner Lunge entwich. Während sich die Aufmerksamkeit der Sternenbestie mir zuwandte, rappelte sich Tykke auf, ergriff einen langen, spitzen Holzsplitter und rammte ihn von hinten in ihr Fleisch. Sie riss die trockenen Lippen zu einem stummen Schrei auf, krümmte sich, und da erfasste mich eine Art Druckwelle, besser kann ich es nicht beschreiben, die Tykke und mich nach hinten warf. Mein Kopf schlug gegen einen Baumstamm, und mir wurde für einige Sekunden schwarz vor Augen, bis das Sternenlied in neuer Intensität in meinem Kopf erklang. Antares’ helle Töne frohlockten, veranlasste die anderen Sterne, in einen Kanon der Glückseligkeit einzustimmen, und dann fiel eine neue Stimme in ihren Gesang ein, heller und schöner als alles, was ich je zuvor gehört hatte. Eine Sternenseele wurde geboren. Mein Zwillingsstern. Die Seele, die von der ersten Sekunde an im Gleichtakt mit meinem Herzen schlug, die ich vor allem anderen beschützen musste.
Ich sah in die Richtung, aus der die Laute kamen, und erblickte Amadea, die in der Luft zu schweben schien. Ein rostiger Haken, mit dem die Bauern halbe Lämmer zum Räuchern über das Feuer hielten, hatte ihren Rücken durchbohrt, ragte vorn aus ihrer Brust heraus und nagelte sie so an der Scheunenwand fest. Blut quoll noch immer über ihre Lippen, tropfte in den unberührten Schnee zu ihren Füßen, während sich ihre Züge wandelten, feiner und blasser wurden und ihr eine ätherische Schönheit verliehen. Plötzlich schlug sie die Augen auf, und unsere Blicke trafen sich. Es war das erste Mal, dass ich in die Augen einer neugeborenen Sternenseele sehen durfte. Die ungläubige Faszination, die sich in ihnen widerspiegelte, sollte sich für immer in mein Gedächtnis einbrennen. Für diesen kostbaren Moment vergaß ich alles andere um mich herum, spürte nur das reine Glücksgefühl, das mich bei ihrem Anblick durchflutete. Nichts hatte mich je glücklicher gemacht als allein ihre Gegenwart, das Wissen, dass sie auf derselben Erde wandelte wie ich. Mein Gegenstück.
Doch meine Reaktion war nicht unbemerkt geblieben. Die Bestie lachte auf, ein Geräusch, wie ich es schrecklicher nie wieder gehört habe, riss sich von Tykke los, dessen Gesicht von Blut bedeckt war, und raste auf das Mädchen zu. Ich sah nur noch, wie sie sie mit einem harten Ruck vom Haken riss, wobei Amadeas Lippen vor Schmerz und Überraschung lautlos aufklafften, und sie zu Boden warf. Dann packte sie in einer fließenden Bewegung den Haken und grub ihn in ihre Kehle. Sofort erlosch der freudige Gesang von Antares, wurde leiser, bis er sich zu einem nahezu unhörbaren Summen wandelte.
In rasendem Zorn stürzte ich mich auf die Bestie, doch die lachte nur, wich jedem meiner unkontrollierten Angriffe aus und grub ihre scharfen Nägel in mein Fleisch. Erst später erfuhr ich, dass Tykke sich von hinten an sie heranschlich und einen weiteren Haken in ihren Kopf rammte. Doch selbst das konnte sie nicht töten. Trotzdem schwächte es sie so sehr, dass sie von uns abließ und sich zurückzog.
Sofort stürzte ich zu Amadea, bettete ihren Kopf in meinem Schoß, während ihr Blut den Schnee färbte und meine Kleider durchtränkte. Fassungslos, wie betäubt blickte ich in ihre brechenden Augen, und die Erkenntnis, dass ich versagt hatte, dass das Einzige, was sich je zu beschützen gelohnt hatte, gerade starb, trübte meinen Verstand.
Mit ihrem letzten Herzschlag starb auch ein Teil von mir, und was dann geschah, wird für mich ewig hinter einem dumpfen Nebel der Verzweiflung liegen. Wir ließen ihre Leiche zurück und flüchteten aus dem Dorf. Sobald man sie fand, würde man Fragen stellen, und als einzige Fremde im Ort wären die Schuldigen rasch gefunden.
So blieb mir für die folgenden Jahrzehnte nur der eine Augenblick, in dem ich in die Augen meines Zwillingssterns, dem Nordmannsmädchen, das keine Kälte mochte, sehen durfte, in dem Wissen, dass ich meinen Seelengefährten gefunden und ebenso schnell wieder verloren hatte.
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† Z uerst sollten wir uns vergewissern, dass es keine zufällige Ähnlichkeit ist«, durchbrach Ras das Schweigen, das entstanden
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