Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
ihren Redeschwall, sichtlich verstimmt, da das Mädchen nur Augen für mich hatte.
»Mein kleiner Bruder hat das Gatter nicht richtig verschlossen, sodass uns ein Schaf entwischt ist. Ich will es finden, bevor Vater es entdeckt und ihn grün und blau schlägt.«
»Du riskierst dein Leben für ein blökendes Tier?« Ich war mir nicht sicher, ob ich sie für ihren Mut bewundern oder über ihren Leichtsinn den Kopf schütteln sollte.
»Ich habe nicht mit Wegelagerern gerechnet«, antwortete sie schnippisch. Offenbar fand sie ihren Mut wieder, und sie richtete sich stolz auf. Falls sie der um uns herum schimmernde Sternenstaub irritierte, ließ sie sich nichts anmerken.
»Wir helfen dir beim Suchen.« Ich wollte das Mädchen nicht allein lassen und mehr über sie erfahren. Sie schien so anders als die restlichen Bewohner dieses trostlosen Flecks zu sein.
»Das ist nicht dein Ernst?«, fragte Tykke mich.
»Sollen wir sie allein durch den Wald irren lassen?«
Er zuckte mit den Schultern und murmelte etwas Unverständliches, aber ich wusste, dass er nicht einfach abhauen würde.
Es dauerte auch nicht lange, dann hatten wir das Schaf gefunden. Das Mädchen, das sich in der Zwischenzeit als Amadea vorgestellt hatte, legte ihm einen Strick um den Hals, und wir machten uns auf den Rückweg. Das Tier schien erleichtert zu sein, dass sein Abenteuer zu Ende war, und trottete uns brav hinterher.
Wir sahen den ersten Rauch aus den Schornsteinen aufsteigen, als sie mir leise einen Dank zuflüsterte. »Ich bin froh, nicht länger durch die Kälte laufen zu müssen. Ich hasse sie.«
»Eine Nordländerin, die nichts für Kälte übrighat?« Ich musste lachen. »Da wurdest du am falschen Ort geboren.«
Sie nickte. »Ich habe gehört, dass es Länder gibt, in denen es niemals friert.«
»Vielleicht kannst du sie eines Tages bereisen.« Ich wusste, dass meine Worte eine Lüge waren. Das Mädchen würde niemals weiter als bis zum Nachbarort kommen, mit einem Jungen, der ihrem Vater gefiel, verheiratet werden und ihm Kinder gebären. Vermutlich tröstete ich mich damit mehr selbst als sie, unterdrückte meine Schuldgefühle, weil ich im Gegensatz zu ihr frei war. Ohne darüber nachzudenken, holte ich einen Anhänger in der Form eines Sterns aus der Tasche. Seit wir in der waldreichen Gegend unterwegs waren, verbrachte ich viel Zeit mit Schnitzen. Es beschäftigte mich, zudem ließ sich manchmal ein Stück verkaufen oder diente zumindest als Dank, wenn man uns aufnahm. Ich nahm ihre Hand und drückte ihn hinein. »Der ist für dich.« Ich wusste nicht, warum ich das tat, aber es fühlte sich richtig an. »Die sternenklaren Nächte sind die kältesten, aber wenn du ihn in Händen hältst, wird es dir nie wieder kalt sein.«
»Und das soll funktionieren?« Sie sah mich skeptisch an.
»Wenn du daran glaubst, ja.«
An der Scheune verabschiedeten wir uns voneinander. Es hätte nur unnötige Fragen hervorgerufen, wenn man uns zu dieser Stunde allein mit ihr gesehen hätte. Als sie mir ein scheues Lächeln zuwarf, wurde mir bewusst, dass sie genau das Mädchen war, von dem ich früher geträumt hatte, es zu heiraten.
Sie wandte sich gerade ab, als die Sternenbestie angriff und sie mit einem einzigen Schlag zur Seite fegte. Dann stürzte sich die Bestie auf uns. Bisher hatte ich nur mit unerfahrenen Sternenbestien zu tun gehabt, und für Tykke war es die erste Begegnung, sodass wir vollkommen überfordert waren. Dass ich heute hier stehe, verdanke ich mehr dem Zufall als meinen Fähigkeiten. Wir trugen keine Waffen bei uns, hatten uns nie Strategien für den Ernstfall überlegt. Die Augen meines Freundes weiteten sich, als er in unserem Gegner eine Frau erkannte mit harten, knochigen Gesichtszügen, die in schlichter Männerkleidung steckte. Sie gab sich gar keine Mühe, sich wie ein Mensch zu geben. Trotz der bitteren Kälte bedeckte nur eine dünne Stoffschicht ihre Haut.
Wie immer, wenn ich einer Bestie gegenüberstehe, bildete sich ein pelziger, übel schmeckender Belag auf meiner Zunge, und das Verlangen, diese Kreatur auszulöschen, wallte heftig in mir auf. Bei meinem ersten Kampf hatte ich gelernt, mich nicht nur von diesem Trieb leiten zu lassen, Tykke hingegen sollte das erst jetzt lernen. Er warf sich mit einem wilden Aufschrei nach vorn, versuchte mit der geballten Faust einen Treffer zu landen, doch die Frau wich mit einer eleganten Bewegung zur Seite aus. Seine Fäuste trafen ins Leere, er geriet ins Torkeln und
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