Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
Mutter geschrammt?«
Lilly lachte gezwungen. »Als ob da eine Beule mehr auffallen würde. Es geht um das, was du mir erzählt hast. Diese seltsamen Träume.«
Seine Heiterkeit verflog so schnell wie eine Wolke am sturmgepeitschten Himmel. »Ich wusste, dass ich es dir nicht hätte erzählen sollen.«
Sie setzte sich vor ihm auf den Boden und legte ihre Hand auf seine. »Nein«, beteuerte sie. »Ganz im Gegenteil. Ich kann es erklären.«
»Machst du jetzt einen auf Seelenklempner und willst mir etwas von einem Trauma anvertrauen, weil meine Mutter mich verlassen hat?«
Schön wäre es, dachte sie. Entweder denkt er gleich, dass ich einen Psychiater viel nötiger habe als er, oder er ist stinkwütend, weil ich ihn in dem Glauben gelassen habe, dass etwas nicht mit ihm stimmt. Keine Win-win-Situation, sondern eine Lose-lose. »Ich muss dir etwas erzählen.« Und dann berichtete sie ihm von all den Ereignissen der letzten Monate, während seine Augen sich weiteten, bis sie beinahe aus ihren Höhlen zu treten schienen. Nur ihre Zerrissenheit zwischen Raphael und Mikael ließ sie aus.
»Du meinst das wirklich ernst«, stellte er fest, nachdem sie geendet hatte, dabei sah er sie an, als wäre sie eine gefährliche Irre. Damit hatte sie gerechnet, aber zu so drastischen Maßnahmen wie Raphael, der sich einfach in die Hand geschnitten hatte, um seine Selbstheilungsfähigkeiten zu demonstrieren, war sie nicht bereit. Stattdessen zog sie ihren Stiefbruder auf die Beine und ging mit ihm auf ihren Balkon. Sie spürte, dass er sich in ihrer Gegenwart nicht mehr wohlfühlte. Kein Wunder, er musste sie für komplett durchgeknallt halten, wobei er ihr zugleich sicherlich Glauben schenken wollte. Die Existenz von blutrünstigen Bestien und Sternenseelen akzeptieren – im Gegenzug für das Wissen um die eigene geistige Gesundheit. Eine schwierige Wahl.
Sie stellte sich ins Mondlicht, das durch einen milchigen Dunstschleier die Nacht erhellte, und konzentrierte sich auf das Sternenlied. Sie spürte seine Macht in sich aufwallen, öffnete die Augen und sah die silbrigen Schwaden von ihrer Haut aufsteigen. »Wie erklärst du das?«
Samuel starrte sie fassungslos an. »Das ist ein Trick.« Er umkreiste sie wie ein Hund eine Katze, die es wagte, nicht davonzurennen. Vorsichtig streckte er eine Hand aus, fuhr mit einem Finger durch den Sternenstaub. Dann blickte er sie an und hauchte: »Deine Augen …«
Sie betrachtete ihr Spiegelbild im Fensterglas. Selbst in dieser blassen Erscheinung leuchtete der Stern um ihre Pupillen. »Glaubst du mir nun?«
Er strich sich mit einer zitternden Hand durch seinen blonden Haarschopf. »Nehmen wir für einen Moment an, dass du mich hier nicht verarschst. Warum hast du es mir nicht früher verraten? Du wusstest, wie sehr mich meine Träume quälen, trotzdem hast du geschwiegen.«
»Ich durfte nicht«, antwortete sie leise. »Sie hätten dich getötet.«
»Und davon hast du dich einschüchtern lassen? Du hast dich ihnen entgegengestellt, als du Angst hattest, dass deine Familie zerbricht, aber als es um mich ging, hast du gekniffen. Wenn du meine Hilfe nicht brauchen würdest, hättest du mich weiterhin im Ungewissen gelassen.«
Sie zuckte vor seinen Anschuldigungen zurück, wollte sich verteidigen, die Vorwürfe von sich weisen, aber sie wusste, dass sie das nicht konnte. Er hatte recht. »Es tut mir leid.« Sie knetete ihre Hände. »Es war alles so viel, so überwältigend. Ich habe nicht nachgedacht.«
Er seufzte, starrte in den Wald hinaus. »Also fasse ich mal zusammen. Du hast mich vor so einer Bestie gerettet, wurdest nun selbst zu einer Art Auserwählten der Sterne und leidest tagsüber unter einer Art Blackout. Um alles noch komplizierter zu machen, treibt eines von diesen Dingern irgendwo hier sein Unwesen, und die Ex von Raphael will dich töten. Und ich soll dir jetzt dabei helfen, tagsüber nicht wie ein Zombie herumzulaufen.«
»So könnte man sagen. Du nimmst das ziemlich gelassen auf.« Sie erinnerte sich noch genau an ihre eigene Skepsis und wie schwer es ihr gefallen war, die Existenz von Sternenseelen und -bestien zu akzeptieren.
Er zuckte mit den Schultern. »Wenn ich dir glaube, habe ich eine Erklärung für meine seltsamen Träume. Die Alternative wäre, dass ich verrückt werde oder sogar ein Psychopath bin. Da nehme ich doch die magischen Wesen.«
Sie seufzte erleichtert auf. Zumindest das war einfacher gewesen, als sie erwartet hatte. »Dann passt du morgen auf
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