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Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Titel: Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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auch der Schmerz konnte seine seelischen Qualen nicht lindern. Er liebte sie so sehr.
    Auch wenn er wusste, dass sie ihm nur noch mehr wehtun würde, lief er zu ihrem Haus. Es war ihr erster Tag als Sternenseele, und sie brauchte Unterstützung. Wie sollte er sich ihr da verweigern? Sollte ihn ihr Glück nicht ebenfalls glücklich machen? Warum fühlte es sich dann so an, als würde er entzweigerissen?
    Er rannte so schnell, wie er nur konnte, fegte mit gewaltigen Schritten über den schneebedeckten Boden, sprang auf Bäume, wenn stacheliges Brombeerdickicht seinen Weg versperrte, und stand so wenige Minuten später vor dem Rankgitter unter ihrem Balkon. Leichtfüßig kletterte er an ihm empor und sprang lautlos auf die Holzplanken, nur um sogleich zu erstarren, als er Lilly und Mikael sich leise unterhaltend nebeneinander auf ihrem Bett sitzen sah. Auch wenn sie sich nicht berührten, ja nicht einmal ansahen, war ihre Verbundenheit nicht zu übersehen. Leicht neigten sich ihre Körper einander zu, ihre Hände wanderten zielstrebig zum anderen hinüber, nur um sogleich wieder erschrocken zurückgezogen zu werden.
    Er warf einen letzten Blick auf sie, während das Gefühl des Verlusts durch seine Brust toste, dann wandte er sich ab, verschwand im Wald und wusste nicht, ob er jemals zurückkehren würde.

40
    † M it jeder Minute, die sie mit Mikael sprach, wurde sie trauriger. Kurz nach Sonnenuntergang hatte er vor ihrer Balkontür gestanden und sie besorgt angesehen. Erst nachdem sie ihm versichert hatte, dass es ihr gut ginge, hatte er sich etwas entspannt und ihr die Gelegenheit gegeben, ihn mit Fragen zu löchern. Viel mehr hatte sie dadurch allerdings auch nicht erfahren. Nur seine Überraschung, dass sie überhaupt in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen, und am Abend nicht völlig verwirrt war, machte ihr Hoffnung, eines Tages ebenso viel Kontrolle über sich zu haben wie er. Immerhin befand sie sich auf dem richtigen Weg. Mikael erklärte ihr, dass er am Anfang auch mit Gedankenbildern und ganzen Szenen gearbeitet hatte, um seinen Körper zu einer Reaktion zu zwingen.
    Doch trotz dieser Nachricht und der Erleichterung, endlich wieder Herr über sich zu sein, kämpfte sie mit den Tränen. Warum war Raphael nicht gekommen? Hatte er sie so einfach aufgegeben? War seine Liebe zu ihr nicht so stark, wie sie geglaubt hatte?
    Sie sah zu Mikael hinüber und spürte erneut die Anziehungskraft, die er auf sie ausübte. Sie wollte sich gegen seine Brust lehnen, seine sehnigen Arme um sich spüren und die Welt um sich herum vergessen.
    Wie kann man nur so verdreht sein, fragte sie sich. Ein unentwirrbares Knäuel aus Schuldgefühlen, Trauer, Frustration und der Liebe zu zwei Jungen durchzog ihr Innerstes. Verwirrt und überwältigt von ihren Gefühlen und den Eindrücken der letzten Stunde stand sie abrupt auf. »Ich sollte jetzt mit Samuel sprechen – sonst wird es zu spät, und ich ziehe noch mehr Aufmerksamkeit auf mich.«
    Ihr Zwillingsstern richtete sich ebenfalls auf, legte den Kopf schräg und strich ihr liebevoll über die Wange, wobei Trauer seine Augen umschattete.
    Er weiß es. Er sieht in mich hinein, als wäre meine Seele aus Glas. Mit einem Mal fühlte sich Lilly noch elender. Sie tat allen weh. Raphael, Mikael, Samuel, ihrer Mutter …
    »Nimm dir alle Zeit, die du benötigst«, sagte er leise.
    Sie sah ihm nach, während er lautlos die Balkontür öffnete und in der Dunkelheit verschwand. Für einen Moment tanzte der Sternenstaub in der klaren Nachtluft, erinnerte an seine Gegenwart, bevor auch er verblasste.
    Sie sammelte sich, richtete schnell ihr Haar, dann ging sie zum Zimmer ihres Halbbruders und klopfte an die Tür. Sie hoffte, dass er da war. Sie war die letzten Stunden so konzentriert auf ihre Übungen gewesen, dass sie nicht darauf geachtet hatte, was im Haus geschah. Zu ihrer Erleichterung rief er mit der ihr inzwischen so vertrauten Stimme »Herein«, woraufhin sie die Tür einen Spalt öffnete.
    »Ich muss mit dir reden.« Ihr Blick streifte durch den chaotischen Raum mit den grellgrünen Vorhängen und Bettwäsche, blieb an ihm hängen. Er sah müde aus, dunkle Ringe umgaben seine Augen, seine einst so kraftvollen Schultern hingen lahm herab. Konnte sie denn niemals siegen? Da hatte sie so um sein Leben gekämpft, nur um sein Leiden mit ansehen zu müssen.
    Samuel blickte überrascht auf. »So ernst? Was hast du verbrochen? Heimlich Fahren geübt und eine Delle in den Passat deiner

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