Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
mich auf?«
»Klar, Schwesterchen.« Er boxte sie freundschaftlich gegen die Schulter. »Und was kann ich sonst noch tun?«
»Das ist mehr als genug. Ich will dich da nicht weiter reinziehen.«
»Dafür ist es bereits zu spät. Ich werde nicht tatenlos herumsitzen, während eines von diesen Dingern, die an meinem Gehirn herumgepfuscht haben, sich hier herumtreibt.«
»Samuel, bitte …« Sie hob abwehrend die Hände. »Sie sind gefährlich.«
»Genau deswegen. Je schneller ihr sie ausschaltet, desto eher sind wir wieder in Sicherheit.«
Sie seufzte ergeben. In den Monaten, die sie nun bereits unter einem Dach lebten, hatte sie ihn gut genug kennengelernt, um von seiner ausgeprägten Sturheit zu wissen. »Du kannst tagsüber die Augen offen halten, sehen, ob sich jemand auffällig verhält oder verändert. Vielleicht tust du dich mit Calista zusammen, gemeinsam könnt ihr mehr erfahren.« Dieser Vorschlag fiel ihr ausgesprochen schwer – was auch immer geschehen sein mochte, sympathisch war ihr das Mädchen nach wie vor nicht.
»Denkst du, man kann ihr vertrauen?«
»Sie hat mich gerettet.«
»Oder ist das nur Teil eines Plans der Sternenbestien, um eine von ihnen oder zumindest eine Dienerin bei euch einzuschmuggeln?«
»Wie hätten sie wissen sollen, dass ich zur Sternenseele werde?«
»Bist du dir wirklich sicher, dass sie das nicht können? Ihr wisst auch nicht, was mit Raphaels Ex geschehen ist. Und vielleicht haben sie nur schnell reagiert, als du dich gewandelt hast. Die Sternenbestien stehen doch angeblich in gedanklicher Verbindung miteinander.«
Lilly runzelte die Stirn. Die Vorstellung gefiel ihr gar nicht, aber sie musste sich eingestehen, dass sie Samuels Worte nicht einfach so beiseiteschieben konnte. »Du hast recht. Behalte sie bitte besonders sorgfältig im Auge. Ich werde mit den anderen darüber sprechen. Vielleicht machen wir uns auch nur grundlos Gedanken.« Sie schloss die Augen und seufzte erneut. Ein weiteres Problem, als gäbe es davon nicht bereits genug.
Samuel trat einen Schritt auf sie zu, zog sie in seine Arme, und sie lehnte ihren Kopf gegen seine harte Brust. Er strahlte etwas Beruhigendes aus, vermittelte ihr das Gefühl von Sicherheit, das sie das letzte Mal in den Armen ihres Vaters verspürt hatte. In all dem Chaos war er der Einzige, dem sie wirklich vertrauen konnte, der ganz hinter ihr stand und bei dem es keine ungeklärten Fragen gab. Stiefbruder oder nicht, er war ihre Familie.
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† U nsicher blickte Lilly auf den Boden, der gute sieben Meter unter ihr lag, während sie auf dem Ast der Fichte balancierte, der leicht im Wind schwankte. Mit der Wandlung zur Sternenseele war ihre Höhenangst nicht verflogen, deshalb bildete sich so hoch oben ein eisiger Klumpen in ihrem Magen, dessen Kälte in ihren ganzen Körper ausstrahlte. Sie holte tief Luft, kniff die Augen zusammen. Verdammt, sie musste mutiger werden. Nach einem letzten Blick nach unten breitete sie ihre Arme aus und nahm Anlauf, bevor sie sich mit aller Kraft zum nächsten Baum schleuderte. Nicht nachdenken!
Die Äste schienen nach ihr zu greifen, als sie dem Baum entgegenflog. Sie streckte die Hände aus, um einen zu fassen, der stabil genug aussah, fühlte die raue Rinde unter ihren Fingern, doch dann glitt sie ab. Sie hatte unterschätzt, mit wie viel Schwung sie aufschlagen würde, war ihre neuen Kräfte noch nicht gewohnt. Panisch griffen ihre Hände ins Leere, versuchten etwas zu packen, aber da war nichts. Zweige schlugen in ihren Rücken, rissen an ihrer Bluse, peitschten über ihre Jeans, als sie stürzte. Da! Sie prallte auf einen breiten Ast, hörte die Luft pfeifend aus ihrer Lunge entweichen, doch bevor sie abrutschen konnte, klammerte sie sich fest wie ein Schiffbrüchiger an einer Holzplanke.
Vorsichtig sah sie nach unten. Es waren nicht mehr als zwei Meter, trotzdem erfasste sie wieder ein leichter Schwindel. Eine tolle Kriegerin bist du. Was hatte sich Alkione nur dabei gedacht, sie auszuerwählen? Konnte es jemanden geben, der weniger geeignet war, in den Kampf zu ziehen?
Von sich selbst enttäuscht hangelte sie sich nach unten, betrachtete ihre zerschrammten Hände, die bereits verheilten, und ihre zerrissene Kleidung. Torge würde gar nicht erfreut sein, wenn er sie so sehen würde.
In der einen Woche, die sie nun als Sternenseele lebte, hatte er ihr Training intensiviert und jede Nacht mehrere Stunden mit ihr an verschiedenen Waffen trainiert. Und auch Madame Favelkap hatte ihre
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