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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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überwältigte ihn.
    Hinter ihnen erstickte die Feuchtigkeit des Waldes allmählich die Flammen der Benderzic. Der Junge warf sich in die feuchten Blätter und zitterte verloren. Unbewußt zog er
    die Knie an und stützte die Stirn darauf. Er war sich Khiras an seiner Seite kaum bewußt.
    »Dunkeljunge ...«
    Der Junge hob den Kopf, schüttelte ihn stumm, unfähig  zu sprechen. Wessen Stimme würde er hören, wenn er sprach?
    »Dunkeljunge ...« Langsam, zögernd, trat Khira aus dem Schatten, in dem sie gestanden hatte, und kniete vor ihm, so daß das Mondlicht voll auf ihrem Gesicht lag. »Dunkeljunge – ich glaube, es war zu früh.«
    Zu früh? Der Junge starrte sie an, er verstand nicht. Es dauerte Augenblicke, ehe er begriff, was er sah, und dann glaubte er es nicht. Die Pigmentierung ihrer Haut konnte sich nicht so schnell verändert haben. Die Knochenstruktur ihres Gesichtes konnte sich nicht in Minuten verändert haben. Und die Augen ...
    Sie lagen jetzt tief, dunkel inmitten des Mondlichts. Sie enthielten die gleiche alterslose Kraft, die er auch in Tiahnas Augen gesehen hatte; und die gleiche Hilflosigkeit, als wäre Khira von Kräften geformt worden, die sie nicht kontrol lieren konnte; Kräfte, mit denen sie dennoch leben mußte.
    »Khira – dein Gesicht ...« Er vergaß sein eigenes Dilemma, griff nach ihr, nahm ihr Kinn in die Hände. Zögernd und ungläubig erforschte er die Konturen ihres Gesichts. Das Kinn, die Linie der Kiefer und der Backenknochen gegen das sichtbar gedunkelte Fleisch ...
    »Dunkeljunge – wenn ich mein Opfer zu früh genommen habe ...« Sie streckte ihm die Hände – diese veränderten Hände – in flehender Bitte entgegen. »Dunkeljunge, wenn es zu früh war, werde ich wie Nezra sein ...«
    Nezra, die mißratene Barohna, gefangen in einem nur halb veränderten Körper, ihre Kräfte verdreht und seltsam. Der Junge spürte, wie ihm die Hände zitterten. Khira hatte den Benderzic mit ihrem Spieß erlegt, Monate vor ihrer ersten Großjährigkeit. Sie hatte ihn erlegt, mit der steinernen Kaltblütigkeit, die sie gegen ihr Härtungs-Opfer gerichtet
    haben sollte. Sie hatte ihn genommen, als
wäre
er ihr Opfer; und jetzt waren die ersten Zeichen einer Barohna an ihr.
    Der Junge vergaß seinen Schmerz und seine Verwirrung und umfing ihr Gesicht mit den Händen. Tränen schimmerten in ihren verschatteten Augen und liefen ihr das Gesicht hinunter. Sie waren wie Säure an seinen Fingern.
    War es zu früh gewesen?
     

17 Khira
    Sie hatten beide nicht vorgehabt zu schlafen. Aber mit einem Mal rollte sich Khira gegen Dunkeljunge, und sie schliefen, tief, erschöpft.
    Es war Morgen, als Khira allein erwachte. Die Sonne schien durch die Bäume und lag ihr brennend auf den Augenlidern. Der leichte Rauchgeruch haftete an ihrem Hemd und in ihrem Haar. Sie stieg langsam aus dem Schlaf empor und blieb für eine Weile in der warmen Mulde aus Blättern liegen; noch nicht bereit, sich den Gedanken zu stellen, die mit dem Erwachen kamen.
    Sie hatte einen Menschen als Opfer genommen. Keine Barohna hatte das je zuvor getan. Tatsächlich hatte kein Brakrathi, soviel sie wußte, absichtlich ein menschliches Leben genommen; und sie sollte sich verderbt vorkommen. Sie hätte damit anfangen sollen, sich darauf vorzubereiten, daß sie sich am zweiten Tag der nächsten Frühlingszusammenkunft stellen mußte.
    Aber sie brauchte nur die Augen zu schließen, um das spöttische Lachen des Benderzic zu hören, das Glitzern seiner Augen im Mondenlicht zu sehen; und sie fühlte kein Bedauern. Er hatte Dunkeljunge gegenüber weniger Achtung gezeigt, als ein Jäger einem Tier gegenüber zeigte, das in seiner Schlinge gefangen war. Und das hatte den Benderzic selbst zu weniger als einen Menschen gemacht. Das hatte ihn zu einem räuberischen Geschöpf gemacht, das man ausrotten mußte.
    Khira setzte sich auf, schüttelte den Tod des Benderzic von sich. Sie hatte den Spieß geschleudert. Jetzt war der Augenblick, in dem sie nachdenken sollte. Mit gerunzelter Stirn streckte sie die Hände vor sich aus. Sie hatten sich verändert. Das Fleisch war dunkler; die Fingerspitzen waren stumpf, wo sie zuvor spitz zugelaufen waren. Aber es waren nicht die Hände einer Barohna. Sie waren zu zierlich; die Beschaffenheit der Haut war zu fein. Und als sie aufstand, war sie ein wenig größer als am Tag vorher, wenn auch ihre Beine, deren Muskelstrukturen sich deutlich abzeichneten, dunkler waren.
    Vielleicht war ihre nachträgliche

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