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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Traurigkeit vorbereitet, die sie in seinem Gesicht sah. Sie setzte sich auf, ihr Herz verkrampfte sich schmerzlich. »Dunkeljunge ...«
    »Ich werde hierbleiben«, sagte er so unbeteiligt, als läse er die Worte von einer Schriftrolle ab. »Die Benderzic werden mich hier vorfinden. Ich möchte, daß du zum Lager zurückgehst.«
    »Ohne dich?«
    Er seufzte und legte eine Hand über die Augen. »Khira, du kannst hier gar nichts für mich tun. Wenn du zurückgehst ...«
    »Nein!«
    »Khira ...«
    Sie könnte nie so unbeteiligt sein wie er. »Ich will nicht«, zischte sie; ihre Stimme war aus Eis. »Ich werde nicht zum Lager zurückgehen, außer, du gehst mit.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht zum Lager gehen. Ich werde die Benderzic nicht hinführen.«
    »Dann werde ich auch nicht gehen.«
    Da sah sie mit Freude eine vorübergehende Hilflosigkeit in seinen Augen. Sie sah mit Freude die hervorstürzenden Tränen. Er wischte sie mit bebender Hand fort, stand auf und ging weg; seine Schultern waren versteift.
    An diesem Tag sah sie wenig von ihm. Er kletterte zwischen den Zinnen umher; nahm den Weg auf die steilste Felsspitze. Er kletterte nicht so, wie sie mit den Wächterinnentöchtern geklettert waren, zum Vergnügen. Er kletterte mit stummer Verbissenheit, suchte sich mit voller Absicht den Weg auf die zerklüfteten und tückischen Seiten der drei größten Spitzen hinauf: Upquir, Falsett und Principe. Es gab Stellen in den Gipfeln, wo ein Abgleiten nur geringe körperliche Verletzungen nach sich gezogen hätte; nur Kratzer und blaue Flecken. Und es gab Stellen, wo ein Fall unbedingt tödlich enden müßte: Upquir, Falsett und Principe.
    Khira schaute ihm zu; ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Er wußte, wie man fallen mußte, erinnerte sie sich – locker, ohne Widerstand. Aber selbst das würde ihn bei einem Sturz von den höchsten Gipfeln nicht retten.
    Jedenfalls fiel er nicht. Er kehrte zur Dämmerung zum Teich zurück; sein Gesicht war voll Striemen, seine Hände bluteten. Die gezackten Felsen hatten seinen Anzug zerrissen und seine Stiefel verschrammt. Er aß wortlos. Khira konnte keine Gefühlsregung in seinem Gesicht entdecken; weder Traurigkeit noch Bedauern oder Wut.
    Auch in ihrem eigenen Gesicht fand sie keine Veränderung, als sie bei Mondaufgang wieder neben dem Teich kniete. Dunkeljunge schlug in dieser Nacht sein Bett in einiger Entfernung von dem ihren auf und rollte sich mit dem Rücken zu ihr zusammen, sein Gesicht verschwand im Schatten. Khira lag dort, eng in ihren Umhang gehüllt; ihr Herz war leer.
    Sie warteten auf die Benderzic, und die Nacht war eine Falle, zum Zuschnappen bereit. Eine Schlinge, die wartete, daß sie sich zuziehen konnte; nicht um die Benderzic, sondern um sie. Sie starrte zu den Sternen empor und beobachtete ein Licht, das sich zwischen den Sternen bewegte und das nicht dorthin gehörte. Sie studierte die Monde und erwartete, daß der Schatten der Benderzic über ihre leuchtende Oberfläche fiel. Sie und Dunkeljunge waren für die Benderzic Opfer; keine Opfer, die man ernst nahm; sondern ganz leicht zu schlagende Opfer. Sie hatten außer ihren Spießen und den Flammenwerfern in Dunkeljunges Packen keinen Schutz. Wenn das Trägerschiff ankäme, würden die Benderzic, die in ihm waren, wachsam sein – was die ersten beiden Benderzic nicht gewesen waren. Und es würden viele sein.
    Khira setzte sich auf und kämpfte gegen das plötzliche Gefühl, daß ihr die Luft aus dem Brustkorb gepreßt würde. Die Leere der Ebene rief nach ihr. Ihre Füße kannten den Weg zum Lager, zu Kaduras Kefri; und ihre Sinne kannten die Wohltat, die es bedeutete, sich bei den glühenden Kohlen an Kaduras Feuer niederzulassen und alle angenehmen Gerüche und Geräusche um sich herum wahrzunehmen.
    Und Kadura selbst dabei; schweigsam, aber verständnisvoll. Ja, mit Verständnis dafür, daß sie fortgelaufen war und Dunkeljunge zurückgelassen hatte, damit er den Benderzic allein gegenüberstand. Khira kämpfte gegen die Tränen an, erhob sich und ging still zum Teich. Sie kniete nieder und schaute auf ihr Spiegelbild, versuchte, sich mit ihrem veränderten Gesicht zu befreunden; versuchte, Vertrautheit in ihm zu entdecken.
    Sie saß dort, bis sie erstarrt war; bis ihre Hände vor Kälte taub waren. Dann erhob sie sich, um zu ihrem Lager zurückzukehren. In sich versunken, bemerkte sie zuerst gar nicht, daß Dunkeljunge nicht mehr dort schlief. Sie schaute auf sein leeres Lager,

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