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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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sei steinern, hart, wo andere Menschen weich waren. Aber war sie das? Wenn dem so war, warum verletzte sein Verhalten sie dann? Wie konnte er ihre Gefühle anrühren, wenn sie umhüllt wurden von einem felsigen Kern? Wenn sie steinern war, warum gab es Tränen auf ihrem Gesicht?
    Sie wischte sie ärgerlich fort und lief durch die Flure des Palastes, taub gegen das Echo ihrer Füße. Wenn er ihre Fragen nicht beantworten wollte, wenn er ihr nicht die Höflichkeit bezeigen wollte, die er einer Arnimi gegenüber gezeigt hatte, warum sollte es sie kümmern, wenn er erfror? Was bedeutete er ihr?
    Sie war steinern genug, um zum Thronsaal zu laufen und sich hinter dem Thron zu verstecken, bis das Rasen ihres Herzens aufhörte. Dann fing sie an zu schluchzen. Was machte es schon aus, wenn Dunkeljunge ihre Fragen nicht beantwortete? War das der Lohn für ihre Freundschaft, Worte, die er nicht aussprechen wollte? Die Arnimi wußten, woher er kam, wer seine Leute waren. Techni-Verra hatte ihn überlistet, indem sie ihr seinen Namen nannte. Aber Khira kannte den Klang seines Lachens, die Berührung seiner Hände. Und worin lag Freundschaft, wenn nicht dort, in der Wärme?
    Sie wurde schwach. Sie unterdrückte die Tränen, zog eine Schriftrolle vom Alkoven und versuchte, sich darauf zu konzentrieren. Wenn sie ihre Drohung nicht wahrzumachen beabsichtigte, hätte sie sie nie hervorbringen sollen. Ihn jetzt freizulassen hieße, eine Niederlage zuzugeben. Sie flog mit den Fingern die Schriftrolle entlang und versuchte, sich abzulenken. Dunkeljunge bedeutete ihr nichts, ein Junge von nirgendwo, in sich selbst zerrissen. Er war nicht einmal vollständig.
    Aber ihre Augen wollten sich nicht auf die Schriftrolle konzentrieren. Die Buchstaben verschwammen vor ihnen, waren ohne Bedeutung. Sie war nicht aus Stein, sofern es Dunkeljunge betraf. Sie war Butter. Weich geworden, warf sie die Schriftrollen auf den Boden und eilte zum Wachtturm zurück, rannte die stengelerleuchteten Stufen hinauf und hastete durch die obere Tür.
    Dunkeljunge lag seitlich auf dem steinernen Fußboden - das Gesicht grau, eine Hand ausgestreckt. Die Augen standen offen und starrten, aber er gab kein Zeichen von sich als sie sich über ihn warf und ihr Ohr gegen seinen Brustkorb preßte. Sie horchte atemlos. Sein Herz schlug in eine zögernden Rhythmus.
    Ihr eigenes zitterte panisch. Warum war er so? Er hat sich oft genug zurückgezogen, hatte dagesessen mit der Stirn auf den Knien und kaltem Gesicht. Aber sie hatte ihn noch nie bewußtlos auf dem Boden liegend gefunden. Sie rollte ihn auf den Rücken, packte seine Schultern und schüttelte ihn. »Dunkeljunge!
Dunkeljunge!«
Als er nicht antwortete, schlug sie ihn auf die Wangen, dann auf die Handgelenke. »Iahnerre!« Der Name war ihr fremd, aber wenn er aufwachen würde ... »Iahnerre!«
    Er zitterte und preßte die starren Augen fest zu. Khira ließ ihn frei, da sie dachte, er wäre dabei, zu erwachen. Aber seine Gesichtsmuskeln entspannten sich, und er lag wieder völlig ruhig. Schluchzend preßte sie das Ohr auf sein Brust. Sein Herzschlag war kaum noch wahrnehmbar.
    Sie konnte ihn doch nicht dadurch, daß sie ihn in den kalten Turm für weniger als eine Stunde eingeschlossen hatte, getötet haben! Er war hier über Nacht gewesen, als er angekommen war. Aber wenn sie ihn noch länger hier ließ, könnte sogar das schwache Pochen seines Herzens aufhören. Sie sprang auf, ihr Herz krampfte sich in Panik zusammen. Es war niemand da, zu dem sie hätte gehen können, niemand, der ihr hätte helfen können ...
    Außer der Arnimi. Sie biß sich unschlüssig auf die Lippe, dann rannte sie zu den Stufen. Wenn sie ihn hinuntertragen könnte, ihn ins Bett bringen ...
    Es war hoffnungslos. Sie war nicht größer als er, und die Stufen waren steil.
    Es gab niemanden außer der Arnimi. Sie stapfte die Treppenstufen hinunter und eilte durch die Flure zu ihrer Tür. Sie öffnete sich, Khira stürzte durch den Schutzschirm und blickte hastig umher.
    Drei Arnimi näherten sich, Techni-Verra war unter ihnen. Khira unterdrückte ihre Panik und bot soviel Autorität auf, wie sie konnte. »Mein Freund liegt krank im Turm. Ich brauche zwei Leute, die ihn zu seinem Schlafzimmer tragen.« Ihre Stimme klang dünn, piepsig.
    Die Antwort des ältesten Arnimi war bewußt schroff. »Das Rauthimage ist krank?«
    Khira unterdrückte ihren Zorn und wandte sich an Techni-Verra. »Er ist bewußtlos, und es liegt Schnee auf dem Fußboden. Wir

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