Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
Vom Netzwerk:
könnten ihn zu zweit hinuntertragen. Er ist nicht schwer.« War es nicht an erster Stelle Verras Verschulden gewesen, daß sie ihn im Turm eingesperrt hatte?
    Verra zögerte, blickte kurz zu ihren Vorgesetzten hin. »Ist er nicht in Trance bei seinen Brüdern, Erbin?«
    Verzweifelt packte Khira ihren Arm. »Er ist bewußtlos. Ich kann sein Herz kaum hören.« Warum hatte sie sich selbst für einen Moment eingeredet, unbarmherzig zu sein? Warum hatte sie ihn nicht akzeptiert, wie er war, mit allen Widersprüchen?
    Verras Vorgesetzte beäugten sie kalt, doch ihr Zögern war kurz. »Ich sehe, daß du betrübt bist. Tomer, ich werde sobald wie möglich zur Konferenz zurückkehren. Wenn nötig, werde ich nach Meditorrens rufen.«
    Rasch folgte sie Khira.
    »Wird euer medizinischer Offizier Dunkeljunge behandeln?« wollte Khira wissen, als sich die Metalltür hinter ihnen schloß.
    »Wahrscheinlich wird es nicht nötig sein, Erbin. Rauthimages sind eine widerstandsfähige Züchtung.«
    Züchtung.
Khiras Lippen preßten sich zusammen. »Hier züchten wir Tiere«, fauchte sie. »Wir besitzen andere Ausdrücke für die menschliche Erzeugung.«
    Verra runzelte leicht die Stirn. »Ich bin mir darüber im klaren, daß du das tust, Khira. Aber an einigen Orten, unter gewissen Umständen, sind diese Dinge anders.«
    Warum sollte Khira wegen dieser Tatsache wütend auf Verra sein? In dem Augenblick, da Dunkeljunge im Turm starb? Sie kämpfte gegen ihre Entrüstung an und zeigte den Weg, indem sie voranging.
    Dunkeljunge lag auf dem Rücken, wie sie ihn verlasse hatte, mit geschlossenen Augen, die Arme ins Leere gestreckt. Verra beugte sich rasch über ihn. Sie tippte leise auf seine Augenlider und betastete seine Kopfhaut, da erhob sie sich. »Ich denke, wir müssen ihn die Stufen hinunter bekommen, in sein Bett, und ihn wärmen«, entschied sie. »Ich werde ihn an den Schultern tragen. Nimm du die Füße.«
    »Er – er ist nicht ...«
    »Ich denke, er wird genesen, wenn er wieder erwärmt ist.«
    Khira nickte erleichtert. Sie bewegten sich langsam Schritt für Schritt, die steilen Stufen hinab. Als sie den untersten Teil der Treppe erreicht hatten, nahm Verra Dunkeljunges ganzes Gewicht auf sich, während Khira die untere Tür wieder verriegelte und Verra den Weg zu ihren Quartieren führte.
    Verra nahm die Ausstattung, die Khira für Dunkeljung besorgt hatte, mit leicht hochgezogenen Brauen zur Kenntnis. »Du hast es ihm hier gemütlich eingerichtet.« Vorsichtig legte sie Dunkeljunge aufs Bett und untersuchte ihn erneut, horchte an seiner Brust, zog nacheinander seine Augenlider hoch, klopfte leicht an seine bleichen Wangen. Sie runzelte die Stirn, spielte unbewußt kokett mit ihrem Haar. »Aus dem, was ich über Rauthimages gelesen habe, würde ich annehmen, daß er überbeansprucht gewesen ist.«
    Khira starrte auf sie mit verwirrtem Entsetzen. Meinte Verra damit, daß er sein Bewußtsein überhaupt nicht mehr wiedererlangen würde? »Ich habe ihn im Turm eingeschlossen«, sagte sie stockend, »aber nur für wenige Minuten.«
    »Das hast du getan? Warum?«
    Khiras Gesicht verfärbte sich. »Er hat deine Fragen beantwortet, und dann wollte er meine nicht beantworten.«
    »Ah.« Verras Brauen hoben sich. »Dann hast du ihn gefragt, nachdem du mich verlassen hast. Grob?«
    Khira war sofort in Verteidigung. »Seit er hier angekommen ist, stellte er mir Hunderte von Fragen, und ich habe sie alle beantwortet, egal, wie er sie stellte.« Und seit die Arnimi hier angekommen waren, hatte die Art seiner Fragen sie oft aufgeregt.
    »Ich weiß, du hast dir Mühe mit ihm gegeben. Soviel ist schon daraus ersichtlich, wie rasch er hier gelernt hat. Aber
    Rauthimage ist nicht darin geübt, Informationen zu gehen – nur, sie zu sammeln. Und ein Rauthimage ist mit einem schützenden Programm ausgestattet, das ihn daran hindert, entgegen seiner Schulung zu handeln. Kannst du dir einen besseren Schutz gegen eine lockere Zunge vorstellen, als bewußtlos zu werden?«
    Khira sah Verra mit nachlassender Ungläubigkeit an. »Du meinst, er kann nicht einmal simple Fragen beantworten? Wenn ich ihn frage, wo er geboren wurde, wie er aufwuchs ...« Aber sie hatte ihm solche Fragen gestellt. Sie hatte sie ihm in unerwarteten Augenblicken hingeworfen, in dem Versuch, ihn aus der Reserve zu locken. Er hatte sie nicht beantwortet, war aber ebensowenig bewußtlos geworden.
    Verra schüttelte den Kopf. »Der Schaden besteht nicht nur in den Fragen, Erbin.

Weitere Kostenlose Bücher