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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Berg bringen, damit du dort stirbst. Sie wird es tun, ohne sich etwas daraus zu machen. Was veranlaßt dich zu der Annahme, ich wäre weicher als sie?«
    »Weil – weil du es bist.«
    »Ich bin es nicht. Ich bin hart, wo andere Leute weich sind, und wenn du meine Fragen nicht beantworten willst, werde ich dich hier einschließen und mich nicht umschauen.«
    Ihre Worte wirkten überzeugend. Der Mund des Junge öffnete sich zu einem Einspruch, aber der Lenkende war gefangen in einer Raserei reiner Panik. Sie meinte es;
sie würde ihn hier zum Erfrieren einschließen und sich nicht darum kümmern. Er bedeutete ihr nicht mehr als ein Arnimi.
Krampfhafte Furcht schnitt die Worte des Jungen ab. Er drängte sich gegen die rauhe Steinwand, seine Augen wurden glasig, als wiederholte Muskelkrämpfe ihm den Atem nahmen. De Lenkende zerrte die Knie des Jungen hoch und preßte in instinktivem Rückzug seine Stirn darauf.
    Khira stieß einen wütenden Schrei aus und schüttelte den Jungen, bis sein Kopf heftig gegen die Steinwand stieß »Wenn du mich jetzt verläßt – wenn du mich verläßt, werde ich nicht mehr zurückkommen. Ich werde nicht mehr zu rückkommen, bis der Schnee schmilzt!«
    Die Drohung traf den Lenkenden schwer. Er hatte noch nicht einmal die Tränen in ihren Augen bemerkt. Seine Panik würgte die Kehle des Jungen und erstickte beider Bewußtsein. Wie aus großer Entfernung sprach eine unbekannte Stimme zu ihm. Sie redete mit leiernder Stimme.
Sag ihr nichts.
Die Botschaft wurde wiederholt, eine hypnotische, Kraft bemächtigte sich seines Verstandes und trübte ihn. 
Sag ihr nichts. Sag ihr nichts.
    Ja, er durfte ihr nichts erzählen. Weil nichts, was er sagte, richtig sein würde. Sie konnte nicht beruhigt werden, und' sie durfte nicht informiert werden. Sie hatte dem Jungen beigestanden, doch sie verachtete den Lenkenden. Es gab keinen Weg, sie zufriedenzustellen, ohne sich selbst an sie' zu verraten.
    Und die Fragen, die sie ihm gestellt hatte – wenn er der Ausbilder war, wer hatte ihn dann ausgebildet? Wer hatte ihm Autorität über den Jungen verliehen? Wer hatte sie beide hierher gesandt? Er besaß Antworten. Aber hinter diesen Antworten – gab es eine Absicht, oder war es Betrug?
    Warum fragte er sich das? Warum zweifelte er – wenn es keine Gründe für Zweifel gab?
    Sag ihr nichts, sag ihr nichts, sag ihr nichts.
Verzweifelt schleuderte der Lenkende den Zweifel beiseite und klammerte sich an die Stimme. Sie war seine Lebenslinie. Sie würde ihn beschützen, wenn ihn niemand mehr beschützte. Er brauchte ihr nur nichts zu sagen.
Nichts.
Und das war leicht, so leicht, sobald er den Kopf wieder auf die Knie niedersenkte, wenn sein Bewußtsein davonglitt im Strom des wiederholten Befehls.
    Sag ihr nichts.
Der Kopf des Jungen ruhte entspannter auf den Knien, als er das Bewußtsein verlor.
     

8 Khira
    Khiras Wut klang noch im kalten Turm nach, als sie die Stufen hinunterrannte und die Tür hinter sich verschloß. Aber was in ihrem Herzen erklang, war Verletzung und Verwirrung. Wie hatte ihr Dunkeljunge entschlüpfen können? Sie hatte ihn seit seinem ersten Tag im Palast unterrichtet und geschult, sie hatte ihn genährt und ihm einen warmen Platz gegeben, an dem er schlafen konnte, sie hatte gegenüber dem, was seine Schatten über ihn warf, viel Geduld aufgebracht – was immer es auch war –, sie hatte ihn sich zum Eigentum gemacht.
    In den letzten Tagen jedoch hatte er ihre Mühen zunichte gemacht. Er war ein Fremder für sie geworden. Allzu oft sprach er mit veränderter Stimme, schaute sie mit unerbittlichen Augen an, bedrängte sie mit Fragen, die sie nicht antworten mochte. Bevor die Arnimi angekommen waren, hätte er erkannt, daß sie ihm nicht antworten wollte. Jetzt war er oft unempfindlich gegen ihr Widerstreben.
    Noch jedesmal erreichte sie den Höhepunkt ihrer Verunsicherung, wenn er in seine alte Art zurückschlüpfte und nicht um sich schlagen konnte. Sie konnte nur ihre Wut verdrängen und sich über den Wechsel in ihm wundern
    Was bedeutete es, ein Rauthimage zu sein? War er ein Wesen ohne Seele? Wie der sagenhafte Benar, der droben den Bergen lebte und jedes Frühjahr in einer unsichtbar Lawine die Hänge herunterdonnerte, wenn er stöhnte und schrie nach seinen verlorenen Erinnerungen? Gewiß, Dunkeljunges Erinnerungen schienen verloren.
    Sie schienen verloren – bis heute, als er seinen Namen bei der Arnimi arrogant ausgesprochen hatte.
    Und Khira – sie hatte ihm gesagt, sie

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