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Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit

Titel: Sternenseide-Zyklus 1 - Kind der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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mit Wachsen beginnen, indem du diese Freundlichkeit entdeckst, indem du sie pflegst. Dein Freund hat Probleme mit sich selbst. Wenn du ihn stärkst – selbst die Seite von ihm, die du am wenigsten magst –, wirst du ihn darin stärken, sich mit seinen inneren Konflikten zu befassen. «
    »Und wenn ich ... wenn ich das tue, wird Dunkeljunge mich dann nicht mehr verlassen?«
    Kadura seufzte. »Enkelin, das kann ich dir unmöglich versprechen. Aber wenn du dich selbst dazu bringe kannst, beide Seiten deines Freundes zu ertragen; ihn genauso zu tolerieren, wenn er zu dir als der Lenkende spricht, wie du es tust, wenn er als Dunkeljunge zu dir spricht; wenn du dich dazu bringen kannst, dich um ihn zu kümmern, ganz gleich, welches Gesicht er zeigt – wird ihn diese Hilfe gewiß stärker machen.«
    Khira zog sich vom Feuer zurück, sie wurde kleiner unter Kaduras Vorschlag. Sich um den Lenkenden kümmern? Wenn allein seine Gegenwart schon bedeutete, daß Dunkeljunge sie verlassen hatte? Ihr Fäuste ballten und ihre Armmuskeln verkrampften sich. »Ich werde mich nie um ihn sorgen. Ich kann es nicht!«
    »Im Moment fühlst du so«, antwortete Kadura. »Du wirst immer auf diese Art fühlen, wenn du es zuläßt Aber ich denke, du bist alt genug, damit zu beginnen, deine Gefühle zu bändigen; damit zu beginnen, sie zu meistern.«
    »Nein. Nein, Mutters Mutter ...« Wie könnte sie sich um den Lenkenden kümmern, da sie wütend wurde, wenn er sie nur ansah?
    »Es ist wirklich sehr einfach«, antwortete ihr Kadura. »Jetzt fühlst du dich, wenn du ihn siehst, verwirrt und wütend, und du schlägst um dich. Du richtest deine Wut gegen ihn. Was du als erstes lernen mußt: nicht wütend zu werden. Du mußt lernen, das Gesicht aufzusetzen, das er an dir sehen soll – das gelassen hinnehmende Gesicht.
    Das scheint schwer. Aber nach einiger Zeit wird es nicht länger nur ein Gesicht sein. Du wirst nicht länger nur vortäuschen. Schließlich wird aus der Handlung Wirklichkeit. Wenn du dich dem Lenkenden gegenüber verhältst, als akzeptiertest du ihn, wirst du ihn bald auch akzeptieren.«
    »Nein ...«
    »Doch, selbst den Lenkenden, Khira!«
    Khira erkannte die Endgültigkeit in Kaduras Worten und erwiderte nichts mehr. Doch als sie sich zur Nacht niederließen, mußte sie den heftigen Wunsch unterdrücken, alles zu leugnen, was Kadura gesagt hatte. Dunkeljunge und der Lenkende waren zwei; und sie würde nie lernen, sich um den Lenkenden zu kümmern. Wenn es nach ihr ging, würde sie ihn nie wiedersehen.
    Niemals.
    Khira lag noch wach, lange nachdem sich Kadura in ihren Umhang gewickelt und die Augen geschlossen hatte. Das Feuer wurde zu Asche, und Dunkeljunge rollte sich nahe daran zusammen. Undeutlich erkannte Khira, daß auch er nicht schlief.
    Wenn er nur ihre Fragen beantworten könnte. Wenn er ihr nur sagen könnte, wohin er ging, wenn der Lenkende erschien, und was er dann tat; wenn er nur seinen Bewußtseinzustand beschreiben könnte, dann ...
    Schließlich rührte sie sich und setzte sich auf. »Dunkeljunge ...« Aber es war der Lenkende, der sie über die Asche hinweg anschaute.
    Ihre Wut kam so schnell, daß sie ihr den Atem nahm.
Der Lenkende!
Er bewirkte, daß die Wut in ihr aufflackerte wie Feuer in trockenen Blättern. Und Kadura erwartete von ihr, daß sie das Feuer kontrollierte? Sie biß sich auf die Zunge, sprang auf und wich vor dieser Glut zurück; wich in die Dunkelheit zurück. Sie stolperte vom Feuer fort, wütend und verwirrt, und warf sich schließlich neben einen entfernten Felsblock. Die Nacht war bitterkalt, doch sie nahm es kaum zur Kenntnis.
    Ihre Gefühle bändigen? Sie beherrschen? Ein Gesicht aufsetzen, das eine Lüge war, in der Hoffnung, daß sogar ihre Gefühle zu einer Lüge würden? Khira wollte zurücklaufen, dorthin, wo Kadura schlief, sich in die Arme ihrer Großmutter werfen und ihr sagen, daß sie keines von diesen Dingen tun konnte. Aber sie tat es nicht. Sie drängte sich gegen den Felsblock, bis ihr Ärger verflogen und nur ein störender Rest Scham geblieben war. Dann kehrte sie zum Feuer zurück und legte sich nieder, die Augen weit geöffnet, ohne Schlaf, und machte sich selbst Versprechungen, die zu erfüllen sie nie hoffen konnte.
     

13 Kadura
    Kadura fühlte den Traum, als wäre er ihr eigener; als wäre sie durchlässig geworden, und als glitte er durch sie hindurch.
    Es war Tag; der Junge wanderte auf einem mit weißen Kieseln bestreuten Weg unter Bäumen, die silberne

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