Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied
sie sich einen Weg um ihn herum, kletterte unsicher von einem Felsblock auf den anderen.
Ein langgestrecktes Metallschiff, Dutzende von Schritt lang, zerschmettert. Sie blickte die beiden Felsspitzen empor, die neben dem Teich standen, und erkannte, daß da einmal noch weitere gestanden haben mußten. Und irgend eine Kraft hatte sie auseinandergerissen und auf den Metallkörper geschleudert. Nach den Zeichen, die sie erkannte, hatte der Sturz keine natürliche Ursache gehabt.
Ihr war am ganzen Körper kalt. Die Arme waren steif und zeigten eine Gänsehaut. Sie konnte nicht hierbleiben. Zuviel Zorn lag in der Luft. So rasch sie konnte, bahnte sie sich einen Weg durch die Felsblöcke. Als sie den Rand erreicht hatte, hielt sie inne und schaute zurück, während sie ihr Stein umklammerte; sie wünschte sich, daß jemand da wär der ihr sagen konnte, was geschehen war.
Vielleicht wollte sie es gar nicht erfahren. Fröstelnd wand sie sich ab.
Ein Schatten lag über dem Tag. Das helle Morgensonne licht konnte ihn nicht vertreiben. Auch die gelegentlich vorbeihastenden Jährlinge vermochten es nicht. Als sie weite zog, kam sie immer häufiger an gestürzten Jährlingen vorüber. Einige von ihnen waren noch warm, andere bereits kalt. Bei zweien waren die Kehlen aufgerissen, und in der Umgebung ihrer verstümmelten Körper entdeckte Keva Spuren. Die Spuren eines Minx.
Sie fing an, die Augen auf ihrer Wanderung offenzuhalten. Und sie ging so rasch, wie ihr Knie es erlaubte. Jedesmal, wenn sie einen Schatten oder einen Flecken vor sich sah, dachte sie, sie würde auf einen gestürzten Jährling stoßen, und die Angst nahm ihr fast den Atem. Ein einsam Läufer stolperte vorbei, sein Maul war schaumbedeckt. Keva schaute ihm nach und versuchte, ihn zurückzurufen, um ihn zu seiner Herde zurückzuschicken. Aber dort konnte er sich nicht prüfen.
Am späten Nachmittag erreichte sie einen Hain mit hohe Bäumen. Sie nahm den Schatten, den er spendete, dankbar an. Es war noch zu früh, um für die Nacht haltzumachen. Der Wald lag noch immer irgendwo im Süden. Doch der Schmerz im Knie hämmerte, ihr war schwindelig vor Hunger und von allem, was sie gesehen hatte. Sie würde eine Rast machen und dann in der Nacht schließlich weiterwandern.
Sie aß und fand dann einen Platz, wo das Unterholz ein schützenden Schirm bildete und die abgefallenen Blätter tief und weich lagen. Sie rollte sich erschöpft zusammen, um zu schlafen.
Sie schlief traumlos; die Bäume, die sie umstanden, wurden dunkler, und ihre Schatten schufen ein breites Gitterwerk. Keva erwachte durch ein schwaches Geräusch. Sie setzte sich mit trockenem Mund auf, ihr Herz klopfte. Sie bewegte sich vorsichtig und spähte durch das abschirmende Gesträuch. Das Mondlicht fiel durch die Bäume und warf ebenso viele Schatten, wie es vertrieb.
Während sie noch schaute, löste sich ein Schatten von einem Baumstamm und bewegte sich mit gebeugtem Rücke in den Schutz eines anderen. Er bewegte sich aufrecht, auf zwei Füßen.
Ein Minx? Vielleicht sogar derjenige, der die Jährlinge an. gefallen hatte, die sie heute nachmittag entdeckt hatte? Keva fröstelte und versuchte, eine bessere Sicht auf das Tier zu bekommen. Sie erkannte, daß es auf der Pirsch war. Nach einer Beute, die sich tief zwischen den Bäumen bewegte, die sich einen Weg vorsichtig suchte und deren Fell im Mond. licht schimmerte.
Einem Jährling. Kevas Hand umklammerte den Stein. EN war ein von seinen Artgenossen getrennter Jährling, der jetzt zwischen den Bäumen umherstreifte. Keva nahm sich nicht die Zeit nachzudenken. Sie nahm die Füße in die Hand, ihre Finger verkrampften sich um den Spieß, sie bammelte all ihren Mut, um den Schrei auszustoßen, der die Aufmerksamkeit des Minx auf sie lenken würde.
Der Jährling war zwischen den Bäumen verschwunden. Sein Verfolger schlich ihm nach, bewegte sich mit der Sorgfalt eines Raubtiers von Schatten zu Schatten. Keva zögerte einen Augenblick, dann trat sie aus dem Unterholz und glitt lautlos hinter Räuber und Opfer her.
Sie nahm vom Minx nicht mehr als eine unscharfe Silhouette wahr, als er von einem Schatten in den anderen glitt. Den Jährling sah sie deutlicher, die stolze Kopfhaltung, die schlaksige Anmut seines Ganges, das satte Schimmern des Felles. Er bewegte sich unerwartet grazil und hielt oft inne, um zu lauschen. Keva packte den Spieß fester. Es war ihr egal, was Waana ihr beigebracht hatte. Sie besaß wenigstens einen Spieß, mit dem sie
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