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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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sich verteidigen konnte. Der Jährling besaß nichts außer seinen zarten Hufen.
    Ihr Herz blieb stehen.
Ja,
der Jährling war jetzt in einen Flecken aus Mondlicht getreten, und sie erkannte, daß seine Füße Hufe besaßen, nicht die Hufe einer Rotmähne, die eher schwielige Fußballen waren, sondern richtige zarte Hufe. Einen Moment lang fühlte sich Keva schwach, sie war erschüttert.
Richtige Hufe.
Ungläubig schlich sie vorwärts. Der Jährling machte in einem Strahl aus Mondlicht Rast und spähte den Weg zurück, den er genommen hatte. Sie konnte ihn jetzt klar erkennen. Sie konnte sehen, daß das Mondlicht nicht etwa vom silbergrauen Fell eines Rotmähnenjährlings glitzerte. Dieses Tier hier war weiß, sein Fell war weich und glänzend. Selbst die Mähne war weiß, sie lag wie Strähnen aus Seide über seinem anmutigen Nacken. Seine Augen – sie hatte sich ihm jetzt weit genug genähert, um das feststellen zu können – waren rosa. Sie waren transparent, als wäre ihre Farbe nicht die der Iris, sondern die der dahinterliegenden Blutgefäße.
    Dieses Tier war ein Jährling, ja, aber kein Rotmähnenjährling. Es war eine Weißmähne.
    Und sie wußte, daß sie verfolgt wurde. Keva sah es daran, wie ihre Nasenflügel bebten, wie sie die Ohren spitzte. Keva spähte in die Schatten, in denen der Minx sich verbarg, im ihr wurde fast übel. Sie hatte gesehen, was der Minx mit den Fohlen gemacht hatte, die während des Rennens gestürzt waren.
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie hob die Hand und schloß sie um den Stein. Sie preßte ihn und versuchte, dadurch genug Mut aufzubringen, um den Minx abzulenken.
    Bevor sie sich noch bewegen konnte, bevor sie eine Schrei ausstoßen konnte, bewegte sich der Minx, die Füße erzeugten ein kaum hörbares scharrendes Geräusch. Der Jährling hörte es und tänzelte zurück, seine Hufe klopfte einen nervösen Takt; das Tier machte sich bereit, zu fliehen. Der Räuber stieß einen durchdringenden Schrei aus und stürmte los.
    Einen Augenblick lang war Keva nicht fähig zu reagieren Sie war in ein Vakuum gestürzt, in eine Zeitlosigkeit. Der Spieß fiel ihr ungenutzt aus der Hand. Ein Schwindelgefühl wirbelte in ihrem Kopf, und ihr Atem ging langsamer, als hätte ihr Körper angefangen, etwas anderes als Sauerstoff zu verbrennen, etwas, das ihre Zellen erzeugten.
    Die folgenden Ereignisse schienen für Keva langsamer anzulaufen als je ein Geschehnis in ihrem Leben. Später war sie nur noch fähig, sich an erstarrte Bilder zu erinnern. Der Minx warf sich mit gekrümmtem Körper dem Jährling entgegen, die Augen des Jährlings blickten starr in hilflos - Angst, ihr eigener Körper bewegte sich vorwärts ins Mondlicht. Das Schwindelgefühl breitete sich aus, bis es sie vollständig verzehrte und ihr Bewußtsein zu neuen Strukturen umbildete. Dann begann der Boden zu beben, die Erde zu dröhnen; ihre felsigen Unterschichten rieben sich aneinander. Erdbrocken brachen empor und rasten durch die Luft Die steinige Formation, die unter der Erdschicht lag, schwankte. Gestein und Felsblöcke rissen sich frei und flogen durch die Luft.
    Flogen auf den Minx zu, der sein Opfer vergaß und sich mit weit geöffnetem Mund gegen einen moosbewachsenen Baumstamm warf.
    Den Menschenmund weit geöffnet. Die fliegenden Steine stürzten im Bogen nicht einem Minx, sondern einem mageren Jungen entgegen, der kaum älter war als Keva. Sein dunkles Haar war hinter einem Ohr geknotet. Die Augen blickten starr, sein schmallippiger Mund stand offen. Er trug Kleider, wie sie sie nie zuvor gesehen hatte, ein lose hängendes Gewand über einer weiten Hose. Und um seine Taille ...
    Um die Taille trug er zwei farbige Schärpen, eine in intensivem Blau, die andere in Rot.
    Schärpen, wie ihr Vater sie getragen hatte, obgleich gröber und nicht so glänzend. Erstaunt stellte sie fest, daß sie auf die gleiche Weise geknotet waren, wie ihr Vater sie geknotet hatte, lose, so daß sie tief über seiner Hüfte hingen.
    Die Steine hingen in der Luft und fielen kurz vor ihrem Ziel schwer zu Boden. Dunkle Augen starrten in die ihren, die Pupillen entsetzt geweitet. Alles war so rasch geschehen, daß der Schrei des Jungen noch in den Bäumen hallte. Als der letzte Stein den Boden berührte, stellte Keva fest, daß der Junge keine Waffe in der Hand hielt. Sein Messer hing noch immer an der Taille. Er hatte sich unbewaffnet der Weißmähne entgegengeworfen.
    Weshalb?
Aber es war jetzt keine Zeit für Fragen. Sie drehten sich

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