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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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gehört, als sie das Blaue Lied gesungen hatte. Da war sie sich sicher. Wenn sie nur ihre Gedanken vermitteln, sie auf der Wasseroberfläch treiben lassen könnte ...
    Als sich ihre Stimme erhob, erschrak Waana über deren wortlose Deutlichkeit.
Du mußt mich verlassen. Du mußt deiner Herde zurückkehren, Waana.
    Ich muß dich verlassen. Das Rennen ist für die Jungen, die sie prüfen und ihren Platz erfahren müssen. Ich bin alt und werde
auf
andere Weise fallen.
    Und deine Herde braucht dich.
    Nein, nicht deswegen muß ich dich verlassen. Es gibt andere, die unterrichten, wenn die Monde über dem Wasser stehen. Wir tragen alle dieselben Erinnerungen in uns und dieselben Lehr Und einige unter uns verstehen deine Art klarer als ich. Ich ging weit mit dir, weil ich dich beschützen wollte. Aber jetzt begreife dich besser, begreife, was in dir steckt, und ich weiß, daß ich dich deinen eigenen Weg, deinen eigenen Platz finden lassen muß. Ich muß dich verlassen, Fohlen.
    Aber wenn Raubtiere auftauchen, Waana, bist du dann kräftig genug, um ihnen zu entkommen? Wenn sie dich verfolgen, dich
an
greifen .
    Nein, nein, sie jagen zarteres Fleisch, Fohlen, und ich bin zäh. Aber du mußt auf der Hut sein, wenn du dich dem Wald näherst. Sie wagen sich nicht weit in den Wald, weder die Bergtiger noch die Wüstenlobber, die Ebenen- oder die Wüstenminxe. Aber sie werden in seiner Nähe jagen. Und es gibt Männer aus den Wüstenclans, die während der Zeit des Rennens im Wald jagen. Du mu auf diese Männer achten, Fohlen. Sie leben in einem harten Land und das hat sie hart gemacht.
    Ich hätte dich nicht bis hierher mitnehmen sollen, Waana.
Bedauernd.
    Du hast mich nicht bis hierher mitgenommen. Ich bin mit: kommen. Und ich werde gehen. Aber wenn ich dich noch einmal unterrichten hören kann, wie du an meinem Teich lehrtest, bevor du wußtest, wie man zuhört, wird es eine Lektion werden, die sich durch Generationen ziehen wird. Eine Lektion, die viele mit Freuden hören werden. Wir haben ebenfalls Lektionen wie diese, die nur
gelehrt werden, um zufrieden eine Mondscheinnacht zu verbringen.
    Sie wollte das Blaue Lied nochmals hören. Keva umklammerte den Stein, sie war sich nicht sicher, ob sie es allein durch ihren Willen lehren konnte. Es war schwer zu fassen, ein Gebilde aus Träumereien und Sehnsüchten.
Ich werde es versuchen.
    Sie holte tief Luft und ließ ihre Pupillen groß werden, um sich Allindras silbernem Spiegelbild anzupassen; sie hoffte, daß das Licht etwas tief in ihr berühren und das Blaue Lied - freisetzen würde. Eine Weile veränderte sich nichts. Dann zersplitterte die Wirklichkeit, brach auseinander, und das Blaue Lied erhob sich. Sonnenlicht, leichter Wind und andere Kräfte bewirkten, daß es in der Nacht auflebte. Unbewußt tastete Keva nach dem glatten Stoffstreifen am Hals und ließ das Lied von dem tiefen Ort emporsteigen, in dem es lebendig war.
    Das Blaue Lied ... Es nährte sich vom zweifach reflektierten Sonnenlicht. Es nährte sich vom Wind und warf seinen fremden Bann. Keva verlor sich in den stummen Tönen und den lebenden Farben.
    Schließlich ermüdete sie, und das Lied glitt davon. Keva kehrte zitternd in die Wirklichkeit zurück. Ihr Körper war steif geworden, die Hände kalt. Waanas Stimme drang leicht
zu
ihr
durch.
Es gibt leuchtende Dinge in diesem Lied, aber auch dunkle – hinter dem Licht.
    Keva umklammerte den Stein und preßte die andere Hand auf den Boden.
Dunkle Dinge?
Welche dunklen Dinge mochten sich im Blauen Lied befinden?
    Dunkle Dinge,
sagte Waana und ließ die Augen zufallen.
Aber sie sind nicht wirklich.
    Keva nickte, obwohl sie es nicht verstand; sie war zu müde zum Denken. Sie streckte sich aus, um wieder einzuschlafen.
    Als das Morgenlicht sie weckte, war Waana verschwunden. Keva setzte sich auf und befeuchtete ihre trockenen Lippen; sie fühlte sich sehr einsam. Sie rollte die Schlafdecken zusammen und schwang sich das Bündel auf den Rücken. Auf den Spieß gestützt, suchte sie sich ihren Weg durch die verstreuten Felsblöcke.
    Bald erkannte sie, daß es hier etwas gab, das sie am Abend zuvor nicht bemerkt hatte. Einige Felsblöcke lagen wahllos über den Boden verstreut. Aber viele lagen an ein Stelle versammelt, und daneben sah sie, zerschmettert und zerfetzt, den matten Schimmer eines metallenen Körpers. Er war länger als alles, was sie je gewagt hätte, sich vorzustellen, ein ausgedehnter Schatten. Mit gerunzelter Stirn, plötzlich fröstelnd, suchte

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