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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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könne er in der Berührung nicht die Lebenskraft finden, um mit vollem Glanz zu leuchten.
    Vielleicht würde er nicht einmal lernen, wie man ihn benutzte. Vielleicht würde er nie mehr als ein schwaches Glühen zustandebringen. Er zog die Kette über den Kopf und legte den Stein mit zitternden Händen auf seine Kehle; sein Hals war trocken.
    Nichts geschah. Der Stein lag auf dem Fleisch, lauwarm, und nichts veränderte sich. Eine Woge von Übelkeit stieg in Danior hoch, und er schloß den Packen. Nur die Worte des Edelsteinmeisters spornten ihn an. Der Paarungsstein war ein Werkzeug. Wenn er lernen wollte, ihn zu gebrauchen, wenn er mit seiner Hilfe Keva finden wollte, so mußte er ihn tragen, ihn streicheln, für ihn empfänglich werden. Er mußte mit den Fingerspitzen und dem Fleisch der Handflächen den Weg zum Herzen des Steines finden.
    Er schloß die Hand um den Stein; und da ihm nichts anderes einfiel, wanderte er weiter Richtung Süden. Während er ging, wurde der Pollenduft merklich intensiver. Manchmal sah er Jährlinge laufen, einzeln oder in Gruppen. Nach einer Weile fühlte er sich selbst wie ein Jährling, zur Prüfung gerufen. Zu einer Prüfung, die er nicht verstand, aber von der er sich nicht abwenden konnte.
    Er wanderte, bis es dunkel wurde, manchmal hielt er den Stein fest, manchmal streichelte er ihn. Dann breitete er in der Nähe eines Felssturzes die Schlafdecken aus. Er saß dort längere Zeit, preßte den Paarungsstein gegen die Innenseite der Hand und versuchte, etwas mehr als nur schwache Wärme in ihm zu finden. Wenn er ihn vor sich hielt, so beleuchtete er seine Hand und ließ die Falten zu einem Relief werden. Aber mehr geschah nicht. Schließlich rollte er sich in die Decken und schlief ein.
    Seine Träume waren wirr, durch die Ereignisse des vergangenen Tages geprägt. Er suchte endlos lange nach Dingen, die er nicht finden konnte, griff nach Dingen, die er nicht berühren konnte, äußerte Worte, die ohne Sinn waren.
    Und er umklammerte den Paarungsstein. Selbst während schlief, spürte er, wie der Stein in der Hand erst warm und dann heiß wurde. Er erinnerte sich vage daran, was der Edelsteinmeister ihm gesagt hatte. Daß sich die Verbindung manchmal im Schlaf ergab. Er bemühte sich konzentriert, den Stein zu gelangen, seine Kristallfacetten zu durchbrechen und zu einem anderen Ort vorzudringen. Er versuch es mit der ganzen Macht des Traumes.
    Dann träumte er überhaupt nicht mehr. Das Fleisch unten an seinem Hals wurde warm und begann zu brennen. Danior bewegte sich unbehaglich; er setzte sich mühsam auf und rieb sich die Augen. Er schien an zwei Orten zugleich zu sitzen. Die Felsblöcke, gegen die er sich lehnte, waren von anderen durchdrungen. Er schaute hoch und sah die Mond aber es waren vier, so als ob er Nindra und Zan doppelt sähe, aus verschiedenen Perspektiven. Beunruhigt blickte um sich und fand die Ränder der Wirklichkeit verschwommen und unscharf.
    In der Nähe hörte er eine vertraute Stimme. Waanas Stimme – erkannte er; sie unterrichtete. Aber wo war sie? Bei Keva? War er mit Keva verbunden? Er versuchte begierig die Worte einzufangen. Aber die übergangslose Aufeinanderfolge visueller Eindrücke – die Herde, die Ebene, vertraute Orte – war jetzt deutlich. Er hätte neben dem Unterrichtsteich sitzen können.
    Instinktiv preßte er den Paarungsstein heftiger und unternahm eine bewußte Anstrengung, um in das Außen vorzudringen. Die Anstrengung ließ das Fleisch auf der Kehle brennen, als strahlten die lebenden Nervenzentren dort.
    Er erreichte etwas, aber jetzt lehrte nicht Waana. Statt dessen kam Kevas Stimme zu ihm, und darauf folgte rasch eine andere, eine, die er noch nie gehört hatte – eine, bei der ihm ein Kälteschauer die Wirbelsäule hinunterlief.
    Es war keine menschliche Stimme. Und sie lehrte nicht mit Worten. Sie unterrichtete durch ein leuchtend farbiges Lied und durch visuelle Bilder, nicht gestochen scharf, sondern verdunkelt, als lägen Schatten über ihnen. Stirnrunzelnd versuchte Danior, sie scharf einzustellen, und die sanfte Brise eines anderen Ortes regte sich in seinem Verstand. Die Schatten zogen sich zurück, und Sonnenlicht schien hart und klar und kam von einer Sonne, die er noch nie gesehen hatte. Verwirrt und angezogen zugleich wurde ihm klar, daß er sie auch jetzt nicht sah, aber er spürte ihre Stärke in dem Lied, dem Blauen Lied, das schwermütig klang.
    Das Lied, das Keva lehrte, war zugleich Energie und Materie,

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