Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied
Licht und Ton – all diese Dinge zusammengenommen In einer umfassenden Seidigkeit. Es schlang schlüpfrige Finger um ihn, griff nach ihm. Es umwickelte ihn und trug ihn tu einem anderen Ort. Er ging bereitwillig mit, war sich kaum bewußt, daß der Paarungsstein in der Hand brannte.
Ein anderer Ort.
Danior kämpfte stumm darum, sich zu orientieren. Dort war das Land hinter dem Blauen Lied, und dort waren die Bäume. Er sah ihre ausladenden weißen Stämme, sah Schatten sich auf dem Erdboden bewegen. Rasche, gewandte Schatten. Gebannt ließ er sich noch tiefer ins Blaue Lied sinken. Er badete ganz in seinem Licht; und da tauchte ein Gesicht auf. Blitzende gelbe Augen, schräg geschnitten – die Augen eines Raubtieres. Dennoch wirkte das Gesicht nicht bedrohlich. Es war mit glänzendem kastanienbraunem Fell bedeckt und lächelte freundlich, seine Zunge schnellte schelmisch hervor.
Ein Felsleopard? Nein, etwas Angenehmeres, verspielt. Aber jetzt spielte es nicht. Danior konzentrierte sich auf einen Punkt und sah, daß das Wesen begonnen hatte, sich zu putzen. Es zog die rosafarbene Zunge über das kastanienbraune Fell und putzte sich so lange, bis das Fell sauber und feucht war. Danior bewegte sich näher heran und sah, daß das Geschöpf nicht auf dem Erdboden ruhte, sondern in einer Laube aus leuchtenden Steinen. Sie schillerten in vielen Farben: Scharlachrot, Bernstein, Sonnengelb, Chartreuse, Smaragdgrün, Karmesinrot. Und in Blau, dem Blau des Himmels, so leuchtend und klar, daß es weh tat, sie anzuschauen.
Doch Danior ließ in seiner Aufmerksamkeit nicht nach. Er drang tiefer in den Zauber, tiefer in die Sphäre aus Farbe und Lied.
Er drang tiefer ein, und dort gab es finstere Dinge. Alptraumgestalten knurrten aus dem Nirgendwo, warfen klebrige Arme um ihn, rissen mit rasiermesserscharfen Kralle an ihm. Sie griffen nach seinem Verstand, versuchten, ihn in ihre Nachtmahrgrube zu zerren. Sie schlugen ihre Krallen sein Haar, zerrten und rissen ...
Der Stein! Sie griffen durch den Stein nach ihm! Keuchend zerrte er die Kette über den Kopf und warf den Stein von sich.
Er fiel ins Gras, doch der Schrei schwang noch in Daniors, Kehle, ein roher Schrei, während er sich aus der Grube, der Laube und dem seltsamen Lied, das Keva lehrte, freikämpfte. Erschüttert schaute er sich um und erwartete die finsteren Dinge zu sehen, die hinter ihm wüteten.
Er sah nur Mondlicht und Gras. Und den Paarungsstein, der in der Dunkelheit verschwamm.
Zitternd schlang er die Arme um die hochgezogene Knie. Er hatte durch den Paarungsstein hinausgegriffen. Hinausgegriffen zu einem fremden Ort, den Keva kannte. Einem Ort, an dem ein sehnsüchtiges Blaues Lied existierte eine heiße Sonne und ein Raubtier, das auf glänzenden Seiden schlief und sich mit rosiger Zunge putzte.
Aber dagegen die finsteren Wesen ... Er versuchte, sich, die Gesichter des Schreckens zurückzurufen, die so verschieden waren von allem, was er jemals erlebt hatte. Der Schrecken lag nicht nur in den Bildern, sondern auch in dem Gefühl, gefangen zu werden, hineingezerrt zu werden.
In was? Er konnte keine klare Antwort geben. Die finsteren Wesen waren fremd, ihre Drohung war unverständlich.
Das einzige deutliche Bild, das er aus diesem Geschehen retten konnte, war das der Zinnen. Keva verbrachte die Nacht an einem Ort, an dem seine Mutter das Felsgestein hinabgeschleudert hatte, um das Benderzicschiff zu zerstören. Mit zitternden Händen wischte er sich übers Gesicht. Wenigstens wußte er jetzt, daß Keva in Richtung Süden gegangen war, daß sein Instinkt ihn in die richtige Richtung geführt hatte.
Benommen holte er den Paarungsstein zurück und legte ihn sich wieder um den Hals. Er berührte ihn nicht mit den Fingern, streichelte oder preßte ihn auch nicht. Zitternd rollte er sich in die Schlafdecken und starrte die Sterne an.
Kurz vor Tagesanbruch schlief er ein. Es war Mittag, als er erwachte. In seinem Mund war ein schaler Geschmack, die Hände zitterten ihm. Das Wasser, das er sich ins Gesicht spritzte, fühlte sich eiskalt an, obwohl der Morgen nicht kühl war. Er konnte sich kaum aufraffen, etwas zu essen. Er saß eine lange Zeit herum und starrte zum Horizont, bevor er sich auf die Beine machte und wieder gen Süden wanderte.
Er ging langsam, hielt oft an, um sich auf den Spieß zu stützen. Er hatte das Gefühl, als hätte der Stein alle Energie aus ihm gezogen, als ernähre er sich vom ihm. Seine Gedanken kamen zäh, monoton und
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