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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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schüttelte sich nachdrücklich und stupste sie mit seiner vorwitzigen Nase an. Sie strich ihm über die weichen Ohren, aber er schenkte ihr nur für einen Moment seine Aufmerksamkeit. Der Waldduft war stärker geworden, süßer; und der Jährling war unruhig, wollte gehen. Er war zu ungeduldig, sich den anderen anzuschließen, die soeben aufwachten und sich mit freundlichem Schnauben und gedämpftem Wiehern begrüßten.
    Keva stand auf, rollte das Bettzeug zusammen und warf es sich über den Rücken. Sie nahm ihren Spieß und suchte sich einen Weg durch die Jährlinge.
    Als sie den Rand der Herde erreicht hatte, tänzelten und wieherten die Jährlinge um sie herum, schleuderten ihre kastanienbraunen Mähnen und trappelten mit derben Hufen. Sie hielt kurz inne, um ihnen zuzuschauen, dann setzte sie ihre Wanderung fort.
    Sie war noch nicht weit gegangen, als die Jährlinge sie bereits eingeholt hatten und der Boden unter dem Poltern ihrer Hufe erbebte. Sie stürmten in einer langen, grauen Welle vorbei und vollzogen lärmend ihre Riten. Dann folgte Welle auf Welle, bis sie allein wanderte und die Tiere ihr vorausliefen. Bald, als sie sich verteilten und sich in den Schatten des Waldes verloren, hörte sie nicht einmal mehr ihre Stimmen.
    Allmählich kam der Wald näher. Anfangs tauchten einzelne Bäume auf, dann folgten kleinere Baumgruppen. Die Gruppen verdichteten sich zu größeren Baumbeständen, und schließlich wußte sie, daß sie in den Wald eingetreten war. Dort standen die Bäume hochgewachsen und mit weiten Zwischenräumen, dicken Stämmen und dünnen Ästen. Sie warfen ein Netzwerk aus breiten Schatten. Der Boden war glitschig von abgefallenen Blättern. Ihre Füße machten kein Geräusch, und der Boden hielt das Ende ihres Spießes fest, wenn sie sich auf ihn stützte.
    Und der Duft der Pollen – Keva mußte bei seiner fast greifbaren fauligen Süße husten. Sie legte eine kurze Rast ein, starrte die Bäume empor; ein blasses Gesicht zeichnete sich undeutlich ab. Sie sprang keuchend zurück und stieß unwillkürlich mit dem Spieß danach.
    Aber es gab keinen Körper hinter dem Gesicht. Es war eine fleischige weiße Blüte. Sie beugte sich zu ihr herab an einem Gummistengel, langte aus nach – was? Verwirrt machte Keva einige Schritte nach hinten, und die Blüte zog sich langsam in den Schatten zurück.
    Keva bewegte sich jetzt vorsichtig weiter und versucht etwas Vertrautes in den Bäumen zu entdecken, in der Struktur der Borke, dem trockenen Geruch der Blätter. Sie versuchte, irgendeine Erinnerung zu finden. Vielleicht war sie schon einmal mit ihrem Vater hier gewesen. Vielleicht waren sie gemeinsam auf der Rotmähne durch den Wald geritten. Aber heute nacht spürte sie nur die Fremdartigkeit; fleischige weiße Blüten versuchten weiter nach ihr zu greifen, ihre stummen Gesichter strömten die erstickende Süße der Pollen aus.
    Einmal, als sie sich durch das Netzwerk der Schatten tastete, hörte sie in der Ferne einen Schrei. Sie erstarrte, die Finger, mit denen sie den Spieß umklammert hielt, wurden weiß. Der Schrei wiederholte sich, dann verklang er zwischen den Bäumen.
    Die Stille schien jetzt schwerer zu lasten. Keva setzte die Füße vorsichtig, versuchte, die Stille nicht zu stören, und hielt oft inne, um zu lauschen.
    Endlich vernahm sie vor sich schleifende Geräusche, hörte das schwache Schnauben einer Rotmähne. Anfangs zögerte sie, dann schritt sie weiter. Rotmähnenjährlinge bewegten sich im Mondlicht, hoben die weichen Nasen zu den Blüten empor, die sich von den Bäumen hinabtasteten. Sie preßten die Nasen tief in die Blüten und zogen sie dann wieder hinaus, bedeckt von gelben Pollen. Keva blieb stehen und schaute zu, wie sie von Blüte zu Blüte gingen. Gelegentlich' nieste einer der Jährlinge schwach und schüttelte den Kopf.' Die betäubten Blüten zogen sich hinter den Jährlingen zurück und schlossen ihre blassen Blütenblätter. Sie tasteten sich in die Bäume zurück.
    Insekten. Die Jährlinge taten die Arbeit der Insekten, dämmerte es der überraschten Keva langsam. Die Bäume, die am Warmstrom wuchsen, wurden von weichschaligen Kriechtieren bestäubt, die die gelben Körnchen an ihren klebrigen Beinen von Baum zu Baum trugen. Diese Blüten hier benötigten die Rotmähnen, die ihre Pollen weitertrugen. Die Jährlinge bewegten sich ohne die Nervosität, die sie am frühen Abend gezeigt hatten. Sie bewegten sich gefügig, als wäre die Arbeit der Grund, weshalb sie

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