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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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den Jungen zum erstenmal gesehen hatte, war er eben dabei gewesen, einem Weißmähnenjährling nachzuspüren. Er war ihm bis in den Wald gefolgt und hatte sich dann ohne Stricke oder Waffen auf ihn gestürzt. Jetzt, da Danior auf die Hufabdrücke starrte, wurde ihm klar, weshalb. Er hatte versucht, die Weißmähne zu zeichnen.
    Danior legte die Stirn in Falten und grübelte über die Schlußfolgerung und ihre Bedeutung nach. Der Junge hatte sein Haar ebenso wie Jhaviir geknotet. Um die Taille trug er bunte Schärpen – und jetzt spürte er einer Weißmähne nach. Wenn der Junge versuchte, es Jhaviir gleichzutun, dann mußte Jhaviir noch leben – in der Wüste. Er mußte dort Einfluß besitzen. Eine Stellung. Eine Legende.
    Eine Legende, die er seinem Vater zurückbringen konnte. Geschichten über Orte, durch die Jhaviir geritten war, von Menschen, die er gesehen hatte. Daniors Hand verkrampfte sich um seinen Spieß. Zum erstenmal wurde ihm bewußt, daß das Blut Birnam Rauths sich auch in ihm regte. Er spürte es daran, wie sein Pulsschlag sich erhöhte, an dem frischen Eifer, der seine Muskeln kräftigte. Er wollte ebenfalls fremde Orte und Menschen sehen, wollte seine Neugierde stillen –eine Neugierde, von der er nicht einmal gewußt hatte, daß er sie besaß. Rasch drehte er sich herum, um den Spuren auf dem Boden zu folgen; diesmal nahm er kaum wahr, daß seine Oberschenkel weh taten und die Waden sich verkrampften, während er lief.
    Er benutzte den Stein nicht wieder. Schon bald war er nahe genug, um das schwache Geräusch zu hören, das Füße Kevas und des Jungen hervorriefen; nahe genug, sie zwischen die Bäume schlüpfen zu sehen. Sie gingen hintereinander – der Junge schritt voran und studierte Fährte der Weißmähnen, Keva folgte mit ihrem Packen dem gebündelten Besitz des Jungen. Danior schlich ihnen nach, hielt die Distanz bei und pirschte sich von Zeit zu nahe genug heran, um seinen Eindruck bestätigt zu finde daß Keva dem Jungen freiwillig folgte.
    Schließlich versank die Sonne hinter dem Horizont, im Wald wurde es dunkel. Der Junge zischte, er und Keva hielten an und setzten sich, um zu essen. Danior beweg sich näher, er war kaum in der Lage, sie in dem Schatten ausfindig zu machen. Sie sprachen miteinander, ein tiefes Gemurmel, doch Danior hütete sich davor, noch näher schleichen, um es zu verstehen. Dann verstummte die Unterhaltung, und Danior nahm an, daß sie ein Nickerchen machten, bis die Monde aufgingen.
    Er schob sich näher heran und fragte sich, ob er versuch sollte, Keva zu wecken, um sie wissen zu lassen, daß er der Nähe war. Sie schlief gegen einen Baum gerollt, nur ein paar Schritte von der Stelle entfernt, wo der Junge ruhte. Wenn er leise genug wäre, wenn sie nicht aufschreien würde, wenn er sie berührte, wenn er sie schüttelte ...
    Der Junge seufzte tief und veränderte seine Lage, während er etwas Unverständliches vor sich hin murmelte, und Danior zog sich wieder zurück. Er würde ihre Aufmerksamkeit später zu gewinnen versuchen, wenn sie aufwachte. Er kroch hinter einen Baum in der Nähe und fragte sich, ob sie erleichtert sein würde, wenn sie ihn sähe, oder ob sie wütend wäre, daß er ihr gefolgt war. Er fragte sich, weshalb ihn der Stein auch jetzt noch nicht tief genug in ihre Gedanken hatte eintauchen lassen, daß er ihre Reaktionen abschätzen konnte. Er schlang die Arme gegen die Abendkühle um sich und schlief bald unbeabsichtigt ein.
    Die Monde waren bereits aufgegangen, als ihn das Gefühl erwachen ließ, daß noch jemand anwesend war. Vorsichtig öffnete er die Augen und rechnete halb damit, den Wüsten-Jungen vor sich stehen zu sehen. Statt dessen sah er einen Weißmähnenhengst ruhig unter den Bäumen stehen, Mondlicht schimmerte auf seinem glatten schneegleichen Fell. Seine Mähne lag wie Silber über seinem gebeugten Nacken, und seine Augen waren von einer rosigen Transparenz.
Fiirsevrin ...
doch er hatte keine fünffingrige Flamme auf der Stirn. Er bewegte sich zwischen den Bäumen mit unberührbarer Zurückhaltung.
    War er seinetwegen gekommen, wie einst Fiirsevrin zu seinem Vater gekommen war? Vorsichtig richtete sich Danior auf. Er hielt die Luft an, als das Tier näher kam, erfreut darüber, daß es nicht ängstlich, sondern nur neugierig zu
mein
schien. Er atmete behutsam aus, blieb ruhig stehen und ließ das Tier näher kommen. Wenn die Geschichten, die er gehört hatte, der Wahrheit entsprachen und die Weißmähnen von Tieren

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