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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Weise, wie man Palastkind prüft, das in die Berge ging, um zu töten oder getötet zu werden. Sondern in einer komplizierteren Weise; einer Art, wie vor ihm noch niemand geprüft worden war. Vielleicht auf eine Art, die er nicht begreifen würde, bis Prüfung vorbei war. Und er vermutete, daß die Gefahr nicht darin bestand, daß er sterben, nicht einmal darin, daß er versagen, sondern daß er sich abwenden könnte.
    Heute hatte er es sich gewünscht, als der Sand gesunken war und er entdeckt hatte, was er mit den Gothnis angerichtet hatte. Er hatte sich gewünscht wegzulaufen – zum Wald zurück, zur Ebene, zu den Tälern, wo die Kräfte der Steine im Zaum gehalten und nutzbar gemacht wurden durch eine jahrhundertealte Tradition. Doch Keva konnte nicht zurück. Sie war gefangen, gebunden; nicht durch die Tradition, sondern gerade durch die Kräfte, gegen die die Tradition schützte. Sie hatte keine Mutter mehr, die ihr ein Beispiel geben konnte. Keinen Ältestenrat, der sie unterwies. Keine Steingefährtin, die ihre Verwirrung und ihre Bedenken teilte. Sie hatte nur Danior und ihren Vater.
    Und Danior war sich seiner eigenen Unzulänglichkeiten wohl bewußt. Was konnte er ihr sagen? Wie sie anleiten? Er konnte nur hierbleiben und ihr seine Nähe anbieten. Vielleicht war es ein Teil der Prüfung, daß er lernte, seine Hilflosigkeit zu akzeptieren.
    Als sie mit dem Baden fertig waren, zogen sie sich die weiten Gewänder und Hosen an, die Maiya ihnen gebracht hatte, und gingen wieder zur Vorderseite des
han-tau
zurück.
    Dort entdeckten sie einen niedrigen Tisch, auf dem Essen ausgebreitet stand. Darum herum lagen Kissen, und ein halbes Dutzend Kinder saßen im Schneidersitz auf ihnen und
    warteten. Als Keva und Danior den Raum betraten, wandten sie sich um und starrten sie neugierig an, mit unerschrockenen Augen, was Danior befangen machte.
    Der älteste Junge stand auf und deutete auf die freien Kissen, wobei er hastig redete. Danior setzte sich; Keva ließ sich neben ihm nieder. Er blickte sich vorsichtig um und fragte sich, was ihn erwartete. Ein steifes Diner, ein Essen im Kreis der Familie, ein Zeremoniell? Er kannte die Wüstenetikette anläßlich solcher Gelegenheiten nicht. Aber vielleicht war es nichts davon. Die jüngeren Kinder suchten sich schon ihr Essen aus, schnappten sich die Leckerbissen aus den Portionsschüsseln und protestierten lautstark, wenn der Älteste versuchte, ihnen Manieren beizubringen. Keva nahm es kaum wahr, stellte Danior fest. Sie beobachtete die Türöffnung mit kaum verhüllter Vorfreude. Ihr Gesicht hatte wieder etwas Farbe angenommen. Ihre Augen waren jetzt strahlender, als sie es seit dem Nachmittag gewesen waren.
    Als Jhaviir erschien, lagen die Kinder offen im Streit.
    »Meine jungen Clansmänner«, sagte er mißbilligend, während er durch den Raum ging. Er hatte sich ein frisches Gewand und frische Hosen angezogen und das Blaue Lied neu geknotet, aber Danior bemerkte, daß er das Armband aus Sonnenstein nicht mehr trug. »Sie werden sich noch über einen Schatten im Sand streiten. Ich habe gesehen, wie sie es taten. Es ist so Brauch in der Wüste.« Aber dennoch stellte Danior fest, daß die Kinder sofort bei seinem Erscheinen auf die Füße gesprungen waren und der Zank aufgehört hatte. Sie setzten sich erst wieder hin, als Jhaviir ein Kissen neben Keva gewählt und seine Beine gekreuzt hatte.
    Als die Kinder sich beruhigt hatten, sagte er: »Ich habs den Kindern bereits gesagt, daß wir heute abend bei Tisch nur die Sprache der Berge benutzen werden, was uns einige Ruhe verschaffen wird, weil bis jetzt nur Tedni und Re. sha ...«, er deutete auf die beiden ältesten Kinder, »... damit begonnen haben, sie zu lernen.« Er lächelte die ungeduldigen Kinder tadelnd an und sagte dann: »Ja, ihr könnt jetzt essen. Hier, Keva, Danior, füllt rasch eure Teller, oder ihr bekommt nichts mehr.«
    Darauf folgte ein kleiner Tumult, aus dem schließlich alle mit gefüllten Tellern hervorgingen. Danior zögerte anfangs, dann sagte er sich, wenn das der Etikette entsprach, würde er sie lieber befolgen als hungrig vom Tisch fortzugehen. Als er sich wieder hinsetzte, versuchte er festzustellen, was er in dem Durcheinander erwischt hatte, und erkannte fast nichts davon. Früchte, Fleisch, geröstete Samen und Schoten nichts außer dem Hammelfleisch war ihm vertraut. Aber es bedurfte nur weniger Bissen, ihn erkennen zu lassen, wieviel Hunger er hatte.
    Keva aß zurückhaltend und

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