Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide
selbst, verschleißt sie bald so sehr, daß sie nur noch eine verstümmelte Erinnerung an das behält, was sie von der Lebensseide aufnahm.
Du verwirrst mich, Himmelsseide,
sagte Tsuuka.
Was ist eine Lebensseide? Wer ist die Bewahrte? Ein lebendes Ding? Ist sie es, die du die Ungesehene nennst? Ich kenne nichts von alldem. Warum hast du mir nie davon erzählt?
Die Seide schauderte leicht.
Wie könnte ich dir so viele Fragen beantworten, Tsuuka? Ich bin nur eine Singseide. Du hast mich von weinen Schwestern fortgeführt, und ich muß doch ihre Stimmen hören. Ich muß mein Lied singen. Das ist der Zweck, zu dem ich gefertigt wurde; dich zu besänftigen und zu erfreuen; und nicht, dich mit Dingen dieser Art zu beunruhigen.
Heute nacht ist dies dein Gesang,
erwiderte Tsuuka.
Wer ist die Bewahrte? Wer ist die Ungesehene? Du hast mir so wenig erzählt, Seide; ich weiß nicht einmal, wie die Spinner
geboren werden. Und ich weiß nicht, ob sie ihre Jungen in ihren Nestern verbergen, bis sie erwachsen sind. Ich weiß auch nicht, ob sie die Kleinen säugen.
Bei den Sithis gab es einen ausgeprägten Lebenszyklus.
wiederum
ihr
Futter. Denn sie sind ihre Nachkommenschaft. Die Spinner füttern die Ungesehene, und die Ungesehene füttert die frischen Knollen, damit sie groß werden.
Demnach waren die Spinner die Nachkommen der Ungesehenen. Aber was war die Ungesehene? Wer war sie? Tsuuka knurrte in ihrer Verwirrung. Es gab so viele Fragen. Welche davon waren die richtigen?
Ich habe Spinner im Herzen des Waldes kommen und gehen sehen, Seide; dort, wo ich niemals Leben vermutet hätte.
Das war eine Frage, auch wenn sie es nicht so ausgedrückt hatte.
Die Seide bemerkte es jedoch.
Mußt du diese Dinge wissen, Tsuuka? Wir halten sie geheim, weil sie unbedeutend sind. Sie sind so belanglos für eine Jägerin.
Ich muß es erfahren, Seide; das versichere ich dir.
Die Seide wand sich in unübersehbarer Qual.
Dann werde ich es dir erzählen. Du hast recht. Die Ungesehene lebt dort, wo die ältesten Bäume stehen. Die Knollenschächte sind in den Baumhöhlungen. Die Spinner gehen dort ein und aus, weil sie in ihren Fütterungsbeuteln vorverdauten Nahrungsbrei für die Ungesehene herbeischaffen müssen. Sie ernähren sie, damit sie ihrerseits sie ernähren kann, die von ihm abhängig sind.
Die neue Brut der Spinner.
Dann ist es die Ungesehene – die kein Sithi je erblicken darf.
Kein Sithi darf sie sehen,
stimmte die Seide zu.
Und meine Schwester … Maiilin …
Mir ist bewußt, daß es dich schmerzt, von deiner Schwester zu sprechen, Tsuuka,
erwiderte die Seide sanft.
Es schmerzt mich, aber ich muß es erfahren. Und du wirst es mir erzählen.
Denn wenn sie nicht erführe, was Maiilin widerfahren war, wie könnte sie dann Dariim davor bewahren, daß ihr das gleiche widerfuhr?
Die Stimme der Seide sank zu einem kaum verständlichen Flüstern herab.
Ich war damals noch nicht gesponnen, Tsuuka. Du hattest die Spinner noch nicht angewiesen, mich zum Leben zu erwecken, denn du warst noch ein Junges. Wenn ich damals schon eine Stimme gehabt hätte, wenn mir Worte zur Verfügung gestanden hätten, dich zu warnen …
Du konntest es nicht.
Nein. Und deine Schwester hörte nicht auf die Ermahnungen.
Wenn die richtige Jahreszeit war, wählten die weiblichen Sithis, die bereit waren, Junge auszutragen, ihre Gefährten unter den Nachbarn und streichelten und verwöhnten sie, bis ihre Körper zur Paarung bereit waren und den befruchtenden Wirkstoff produzierten. Tsuuka hatte unter den Spinnern niemals ein derartiges Verhalten beobachten können. Noch hatte sie je einen Spinner gesehen, der unentwickelt ausgesehen hatte – bevor sie auf den moosbewachsenen Baum geklettert war.
Plötzlich verdrossen, knurrte sie. Sie, die sich für die geschickteste und beste hielt; sie, die so stolz auf ihre scharfen Sinne war – ach, da gab es so viele Dinge, die sie bisher nicht beobachtet hatte, ebenso, wie es so vieles gab, nach dem zu fragen sie versäumt hatte.
Wir sind die einzigen Nachkommen der Spinner,
sagte die Seide mit hörbarem Bedauern.
Meine Schwesterseiden und ich sind Kinder ihrer Drüsen. Sie haben keine anderen Jungen als uns.
Wie war das möglich? Tsuukas Stirn legte sich in Falten, und ihre Ohren stellten sich auf. Die Spinner fertigten die Seiden; das hatte sie selbst gesehen. Aber die Seiden ihre Kinder zu nennen und zu sagen, daß sie ihre einzigen wären Tsuukas Griff um die Seide verstärkte sich.
Erzählst du mir
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