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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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die gelartige Masse des kolloidalen Aktivators gewöhnt. Und wenn ich eine andere Kabine wählte? Irgendwo am Ufer? Am Meer? Wie würden meine Freunde dann aus der Wäsche gucken, wenn sie mich nicht fänden …?
    Präzisieren Sie den Zielpunkt!
    »Zweite Kabine des Internats Mütterchens Licht «, brummte ich. Meine plötzliche Angst überraschte mich, und ich schämte mich ihrer sehr. Nein, für die Rolle des Ruhestörers taugte ich nicht.
    Steigen Sie ein!
    Unter mir zuckte das blaue Licht auf. Jenseits der milchigen Wände des Zylinders schien sich nichts zu verändern.
    Steigen Sie aus.
    Auch hier erstreckte sich ein Park, allerdings ein ganz anderer. Rund um die Statue des Ausbilders in Dienen wirkte alles zu perfekt, akkurat, begradigt und kultiviert. Dort hatte es gerade Wege und nicht sehr hohe, beschnittene Bäume gegeben. Hier lag jedoch ein echtes Wäldchen vor mir. Viele Relikttannen mit bläulichen Nadeln, die so lang wie eine Hand waren. Und Wacholder. Ein einziger Sandweg schlängelte sich durch den Wald. Die Luft war regelrecht dick, derart schwängerte der Harzgeruch der Bäume sie, und wirkte lebendig.
    Mit einem Mal wurde mir leicht zumute.
    Ich trat von der Kabine weg und schaute mich um. In der Ferne, dort, wohin der Pfad führte, schimmerten die hellen Mauern von Gebäuden. Stille herrschte, nur ein leises Zirpen in den Büschen ließ sich vernehmen. Vielleicht rührte es von Insekten her, vielleicht von Vögeln, mein Unterbewusstsein soufflierte mir da nichts. Bisher war noch niemand sonst aus der Kabine herausgetreten: Möglicherweise hatte es eine Verzögerung gegeben, oder sie hatten beschlossen, mich ein wenig allein zu lassen.
    »Guten Tag.«
    Ich drehte mich um. In den Büschen tauchte der Kopf eines Kindes auf. Ein verschmutztes und neugieriges Gesicht.
    »Hallo«, sagte ich. »Komm raus.«
    »Sind Sie allein gekommen?«
    »Nein, mit meinen Freunden und meinem Ausbilder.«
    Der Junge linste zur Kabine rüber. »Dann hau ich lieber ab«, kündigte er an.
    »Wie du willst«, erwiderte ich achselzuckend.
    Da zögerte der Junge.
    »Ich schwänze den Unterricht«, platzte er plötzlich heraus, fraglos begeistert von seiner eigenen Kühnheit.
    »Alle Achtung«, lobte ich ihn ehrlich.
    Das verwirrte ihn offenbar. Nach weiterem Zögern raschelte es im Gebüsch, und die kleine Gestalt flitzte zwischen den Bäumen davon.
    Na, ich würde ja einen großartigen Ausbilder abgeben. Tüchtig wie ein Stock aus Sand …
    Wie bekam ich nur meine primitiven, unnormalen Reaktionen in den Griff?
    Hinter der Plastikwand der Kabine leuchtete Licht auf. Die Tür öffnete sich, und Fed kam heraus. »Bist du allein?«, fragte er mich mit forschendem Blick.
    »Ja«, log ich, ohne zu zögern – und zwar derart sorglos, dass mir der Ausbilder anscheinend glaubte.
    »Erkennst du etwas, Niki? Meldet sich dein Herz?«
    »Nein. Aber es gefällt mir hier.«
    »Immerhin etwas«, meinte Fed seufzend. Er kam auf mich zu. Sein Gang war auch sonst munter und entschlossen, aber jetzt ging er geradezu federnd und energiegeladen, als ob die Tannenluft Kraft in ihn hineinpumpte. »Wie sollte es dir hier auch nicht gefallen, Niki?«
    Als Nächste kam Katti aus der Kabine, dann Tag und schließlich Han. Auf ihren Gesichtern lag eine solche Begeisterung, dass ich sie beneidete.
    »Ein Jahr bin ich jetzt nicht hier gewesen«, rief Katti aus. »Es ist alles noch genau wie früher! Sogar das Libellennest ist noch da!«
    Ich spähte in die Büsche und versuchte, das Nest der sagenhaften Libelle auszumachen, konnte aber nichts entdecken.
    »Wir sind zu einer günstigen Zeit eingetroffen«, sagte Fed. »Die Kleinen haben ihre Nachmittagserholung. Die Älteren sind beim Unterricht oder bei der Vorbereitung-zur-Arbeit. Da stören wir niemanden.«
    Wir gingen den Pfad entlang. Ich bemerkte, wie die anderen mich immer wieder ansahen, als erwarteten sie, es würde ein Wunder geschehen und ich ausrufen: »Daran erinnere ich mich! Das ist doch der Baum, auf den wir in unserer Kindheit immer geklettert sind! Das ist der Busch, der Han die Haut aufgekratzt hat!«
    Etwas in der Art hätte ich ohne weiteres sagen können. Bestimmt diente die Gegend um die Kabine Kindern schon immer zum Spielen. Hier versteckten sie sich, bauten heimlich Hütten und hinterließen geheime Nachrichten. Der Junge, der neben der Kabine auf zufällige Gäste gelauert hatte, bewies das. Aber ich wollte nicht lügen, nicht mal, um meinen Freunden eine Freude zu

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