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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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…?
    Der Motor heulte, als ich mit dem Fuß aufs Pedal trat. Ich fuhr über die Ogarjowstraße, mit dem klaren Wunsch, die Stadt so schnell wie möglich hinter mir zu lassen.
    Am besten wäre ich nie aus dem Haus gegangen. Peredelkino, das Sternenstädtchen, Swobodny, die Galaxis … Das war eine höchst zufriedenstellende Route. Aus der Gemütlichkeit der alten Datscha in die akademische Ruhe der Hauptstadt der russischen Weltraumfahrt, von dort ins Gewusel des Kosmodroms – und dann der Jump.
    Der Jump! Die sagenhafte Euphorie des Sprungs und die unvorstellbar weiten Welten, die sich nicht einmal der Phantasie erschlossen. Zumindest mir gab der Kosmos eine Menge.
    War es denn meine Schuld, dass ausgerechnet ich im Sitz des Piloten saß und die interstellaren Abgründe überwand?
     
    Unter dem dümpelnden, noch unentschiedenen – sollte er nun richtig loslegen oder aufhören – Regen lief ich von der Garage zum Haus. Die Tür war nicht abgeschlossen, in der Diele türmten sich Tüten, Pappkartons und pralle Taschen. Ihrer Anzahl nach zu schließen, stand uns ein einmonatiger Besuch einer Großfamilie bevor. Vielleicht hatte auch eine Expedition von Alpinisten hier vor ihrem Aufstieg zu den Gipfeln der Demokratie haltgemacht. Alle Sachen waren feucht. Folglich waren die geheimnisvollen Gäste gerade erst eingetroffen.
    Weniger als drei Stunden war ich fort gewesen – und schon verströmte das Haus etwas Fremdes!
    Ich schlängelte mich zwischen den Kartons hindurch in die Küche.
    »Petja?«
    »Ja, Großpapa«, erwiderte ich wie üblich.
    »Stell deine Einkäufe ab und komm rauf!«
    Etwas in mir explodierte. Vielleicht reichten mir die Kommandos aus dem ersten Stock einfach, vielleicht fiel mir auch die Alte vor dem Jelissejew wieder ein … Ich knallte die Tüten auf den Fußboden und ging hoch. Auf halbem Weg wurde mir bewusst, dass ich ohne zu überlegen die Tüte mit dem Fleisch und dem Schinken zuerst hingeworfen hatte und die zweite mit den Flaschen darauf.
    Ich brachte es also nicht mal fertig, in einem Wutanfall ein paar Flaschen zu zerdeppern!
    Im Zimmer war es frisch, anscheinend hatte mein Großvater erst kürzlich gelüftet. Leise Musik spielte, einer der Komponisten des italienischen Barock, Corelli oder Manfredini. Im Grunde war alles wie sonst auch.
    Die erste Überraschung bestand darin, dass mein Großvater auf meinem Platz, auf dem Stuhl, saß. Den Sessel hatte jemand anders in Beschlag genommen, was bereits die zweite Überraschung war. In ihm saß eine Frau um die fünfundzwanzig, die Beine wie ein Mann übereinandergeschlagen. Sie wirkte sehr ernst mit ihrem grobknochigen, hageren Gesicht und den zu einem spillerigen Zopf zusammengebundenen Haaren, den Jeans und dem selbst gestrickten Pullover.
    Wenn mich etwas in Verlegenheit bringt, dann sind das hässliche Frauen.
    Ich entwickle ihnen gegenüber stets Schuldgefühle. »Es ist hässlich, hässlich zu sein …« – um es einmal tautologisch und in Anlehnung an einen Dichter auszudrücken. Freilich, mir ist klar, dass nicht jede Frau Mannequin oder Schönheitskönigin sein kann. Aber wenn eine junge Frau demonstrativ auf ihr eigenes Erscheinungsbild spuckt, dann muss jemand daran schuld sein.
    Und ich habe immer das Gefühl, dieser Schuldige sei ich.
    »Petja, ich möchte dir jemanden vorstellen.« Mein Großvater erhob sich. »Das ist Mascha. Meine beste Mitarbeiterin.«
    »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.« Ohne sich aus dem Sessel zu bemühen, streckte mir Mascha die Hand hin. Ihr Handdruck war kräftig und kameradschaftlich. Ihre Stimme klang abgehackt und scharf. »Ich glaube, wir werden hervorragend miteinander auskommen.«
    »Sehr angenehm …«, murmelte ich.
    Mein Großvater nickte zu seinem Bett rüber, einen anderen Sitzplatz gab es im Zimmer nicht mehr.
    »Mir ist nicht klar, wie weit du eingeweiht bist, Pjotr  …«, sagte sie. »Es ist doch in Ordnung, wenn ich dich du ze?«
    »Klar …«
    »Gut. Ich liebe diese Formalitäten nicht. Also, Andrej Valentinowitsch hat mir die Situation in aller Kürze geschildert …«, begann Mascha.
    »Entschuldigen Sie …«
    Mascha zog eine Augenbraue hoch.
    »Entschuldige, bist du Psychologin?«, fragte ich.
    Mascha schielte zu meinem Großvater rüber.
    »Das ist meine Schuld«, sagte er. »Petja blickt in dieser Situation überhaupt nicht durch. Ich habe erst in sechs Monaten oder einem Jahr mit diesen Ereignissen gerechnet …«
    »Ich bin Technikerin«, teilte mir Mascha mit.

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