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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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…?«
    Hatte ich etwa eine Gläubige vor mir?
    »Dort, in den fremden Sternensystemen … Du bist doch nicht nur einfach ein Pilot, oder?«
    »Ich bin nur ein Pilot, Großmütterchen. Ein Fuhrmann.«
    Etwas hielt mich ab, mich einfach mit diesem Rubel freizukaufen, die Alte stehen zu lassen und weiterzugehen.
    »Trotzdem …« Auf dem faltigen Gesicht kräuselte sich ein schwaches Lächeln. »Ich erinnere mich noch an Gagarin … als er gelebt hat … Ich bin im Kommunismus groß geworden.«
    Mein Großvater hatte mir beigebracht, echten Kommunismus habe es im letzten Jahrhundert gar nicht gegeben, mit der Bettlerin wollte ich jedoch keinen diesbezüglichen Streit anfangen …
    »Jungchen …« Eine trockene Hand umschloss zupackend mein Handgelenk. »Du bist ein guter Mensch. Ein anständiger Mensch. Sag einer Alten … Und du wirst mich doch nicht belügen?«
    Ein leichter Regen ging, ich wäre gern so schnell wie möglich im warmen Innern des Shiguli verschwunden, schämte mich dessen aber beim Anblick dieser Alten mit dem ungeschützten grauen Kopf.
    »Ich werde nicht lügen.«
    »Sag mir, haben wir noch etwas vor uns? Für mich ist das einerlei …« Ihr Lächeln war kläglich wie Regen im Herbst. »Aber ich habe einen Urenkel … und einen Enkel, obwohl ich das manchmal selbst bezweifle …«
    »Worauf wollen Sie hinaus, Großmütterchen?«
    »Verstehst du das wirklich nicht?«, wunderte sich die Alte. »Dabei hast du so kluge Augen … Stets hat man uns unsere große Zukunft ausgemalt. Das Glück der Menschheit. Ich habe den Kommunismus mitaufgebaut … dann den Kapitalismus … jedenfalls habe ich das versucht … Deswegen haben wir all das ertragen. Um dieser Zukunft willen. Um dieses Glücks willen … Jetzt baut ihr die Sternenzukunft auf. Mein Junge, glaubst du an das, was du tust?«
    »Ich möchte es glauben«, flüsterte ich.
    In dem Moment scherte aus dem über den Gehsteig dahinwogenden Strom von Fußgängern ein Milizionär im grauen Regenumhang aus. Er blieb vor uns stehen, blitzte die Alte kurz an und salutierte vor mir. »Du schon wieder?«, fragte er die Bettlerin.
    Die Alte wich zurück.
    »Willst du auf der Wache landen?«, fuhr der Milizionär fort.
    Nun stürzte die Bettlerin förmlich davon. Der Milizionär wollte ihr nachsetzen, doch da packte ich ihn beim Oberarm. »Lassen Sie sie!«
    Gott sei Dank besitzen alle russischen Kosmonauten einen doppelten Status. Wir gehören nicht nur unserer Fluggesellschaft an, sondern auch dem Roskosmos. Und reden wir nicht um den heißen Brei herum: Bei dem handelt es sich um eine militärische Organisation.
    Mein Rang als Major der Luftwaffe bedeutete nach dem vor drei Jahren von Präsident Schipunow erlassenen Ukas auch in der Hierarchie des Innenministeriums etwas.
    Allerdings wirkte der Milizionär weder bösartig noch enttäuscht.
    »Sie sind Kosmonaut«, brachte er überzeugt hervor. »Glauben Sie nicht, dass ich … einer bin, der …«
    Wie jung er noch war, dieser Moskauer Milizionär! Und anscheinend handelte es sich bei ihm wirklich nicht um eins von diesen Schweinen, die jedem Händler Geld abpressen und die Bettler verjagen.
    »Sie ist einfach verrückt, diese Alte … Ständig drückt sie sich hier herum und belästigt die Kosmonauten. Mit Fragen wie: ›Wie sieht es auf den Sternen aus?‹ und ›Was erwartet uns?‹ Sie ist krank …«
    Ich blickte ihm in die Augen. Ehrliche Augen, nur noch sehr jung. Sogar noch jünger und naiver als meine.
    »Aber vielleicht ist sie die einzige Normale unter uns, Sergeant?«, fragte ich.
    Aber anscheinend verstand er mich nicht.
    … Nachdem ich die Tüten mit den Einkäufen auf den Rücksitz verfrachtet hatte, saß ich eine Minute hinterm Steuer, mit beiden Händen aufs Lenkrad gestützt.
    Glaubte ich an unsere Zukunft?
    Ich drehte langsam den Kopf und ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Wie eine Kamera, die eine Gesamtansicht aufnimmt. Dann schloss ich die Augen und schaute mir das Bild an.
    Glaubten diese Menschen an die Sternenzukunft der Menschheit? Brauchten sie, die sie sich mit den Problemen des öffentlichen Nahverkehrs und den nicht funktionierenden Heizungen in ihren Wohnungen, mit dem auf Befehl von oben abgestellten Strom und den exorbitant teuren Lebensmitteln herumschlugen, diese Zukunft? Was gab der Kosmos ihnen – abgesehen von der Angst vor fremden Welten und dem teuer bezahlten Stolz auf den Planeten Erde samt seinen Raumschiffen, die die schnellsten in der Galaxis waren

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