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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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war ebenfalls schockiert.
    »Wie ihr sie foltern und umbringen könnt, das hast du dir überlegt«, sagte ich. »Aber wie man sie wiederbeleben kann, nicht, oder?«
    Ihre ganze Selbstsicherheit hatte sich in Luft aufgelöst. Ihre Lippen zitterten.
    »Karel …«, rief mein Großvater ohne jede Hoffnung. Er hockte sich vors Sofa und legte dem Alien die Hand an den Hals. »Karel, stirb nicht!«
    Vielleicht war er schon tot … Blut gab es zwar keins, der geschuppte Hals des Reptiloiden wirkte auch nicht gebrochen, aber womöglich war er erstickt? Schließlich gehörte er zu den atmenden Lebewesen – das immerhin wusste ich.
    Tyrann bellte fordernd und streckte meinem Großvater seine Pfote hin. Er bat um einen Handschlag.
    »Bring den Hund weg!«, krächzte mein Großvater mit brüchiger Stimme. »Schaff ihn mir aus den Augen!«
    »Warum hat eigentlich die Alarmanlage nicht funktioniert …?«, flüsterte Mascha plötzlich. »Sie hätte … doch …«
    Ich packte Tyrann beim Halsband und zog ihn aus dem Esszimmer. Der Hund wollte schon loskläffen, spürte jedoch, dass mit mir jetzt nicht zu scherzen war, und zog es vor zu schweigen. Ich verfrachtete ihn in die Diele und schloss die Tür. Als Tyrann kläglich zu jammern anfing, löste sich meine Wut auf.
    »Du bist ja nicht schuld«, versicherte ich. »Das haben wir Idioten selber zu verantworten …«
    Ich ließ den verzweifelten Hund allein und kehrte zu den anderen ins Zimmer zurück. Dort war alles wie gehabt. Es lief der zweite Akt, immer noch dieselben Personen, der Körper des Reptiloiden lag auf dem Sofa, mein Großvater kniete davor, Mascha stand zur Salzsäule erstarrt da.
    Wenn ich abends vom Holzfällen zurückkam, würde ich in einer Ecke meiner Baracke ein Stück schreiben: Tod eines Aliens.
    »Man kann eben nicht alles einplanen«, sagte ich. »Großpapa …«
    Ich wollte schon erklären, ich würde die Verantwortung für all das übernehmen und jetzt die Miliz oder besser gleich den FSB anrufen.
    In dem Moment krampfte sich der Reptiloid jedoch zusammen. Er öffnete die Augen und riss den Kopf hoch.
    Mein Großvater wich vom Sofa zurück, wobei er unbeholfen nach hinten fiel. Mascha stürzte vor, schaffte es, ihn abzufangen und gleichzeitig mit einer Bewegung hinter sich – ob sie auf dem Rücken ihres Abendkleides ein Holster trug? – den bereits vertrauten Prototyp dieses Paralysators zu ziehen.
    »Gewaltanwendung ist nicht nötig …«, zischelte der Reptiloid. Er linste zu mir hoch. »Guten Tag, Pjotr Chrumow.«
    Keiner von uns brachte einen Ton heraus. Der Zähler schaute Mascha an.
    »Meine gute Frau«, sagte er mit seiner normalen, gequälten Flüsterstimme, »von meiner Seite droht Ihnen keine Gewalt. Sie können auf die Waffe verzichten.«
    Mascha rührte sich nicht.
    »Außerdem gibt es keine Garantie, dass mir die Waffe überhaupt etwas anhaben könnte«, fügte der Zähler hinzu.
    Mein Großvater stemmte sich ächzend vom Boden hoch. »Und was, wenn ich den Hund rufe?«, fragte er.
    Mit einem Satz war der Zähler auf der Sofalehne. »Ich habe wichtige Informationen, die das Schicksal der Menschheit zum Besseren wenden könnten!«, ratterte er los.
    Mein Großvater lachte. »Die Idee, mir einen Hund zuzulegen, war goldrichtig«, meinte er zu mir.
    Der Reptiloid wartete und drehte den Kopf so, dass er uns alle im Blick behielt.
    »Steck die Pistole weg, Mascha«, verlangte mein Großvater schließlich. »Ich glaube nicht, dass unser Gast ein Killer ist.«
    »Die moralischen Normen unserer Rasse erlauben keinen Mord«, beteuerte der Zähler.
    »Und was erlauben sie?«, wollte mein Großvater wissen.
    »Zielt die Frage darauf, was für uns am wichtigsten ist?«
    »Genau.«
    »Das Begreifen der Urwahrheit.« Der Zähler erschauderte sogar, als er diese Worte aussprach. »Aber dieses Bestreben verlangt Freiheit …«
    »Wer ist an der Verschwörung beteiligt?«, wechselte mein Großvater abrupt das Thema.
    Karel starrte demonstrativ zu Mascha hinüber. Die schnaubte nur.
    »Sie ist auf Menschenseite Teilnehmerin an dem Projekt«, stellte mein Großvater in resolutem Ton klar.
    »Von unserer Rasse abgesehen sind die Alari und die Cualcua an der Aktion beteiligt«, brachte der Zähler heraus.
    Warum hatte mein Großvater immer hundertprozentig recht? Ich setzte mich an den Tisch, entkorkte die Weinflasche und goss mir ein volles Glas ein.
     
    Der Zähler zeigte keinerlei Absicht, das Sofa zu verlassen. Mein Großvater bestand allerdings auch

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