Sternenstaub (German Edition)
Unterwelt zurückzujagen. Vielleicht werde ich mit Salinas Spinnen noch fertig, aber…“
Der alte Magier schwieg. Nur sein rechter Fuß schrabbte kaum hörbar über das Pflaster.
„Wir brauchen einen Verbündeten“, fuhr er schließlich fort, „ein Wesen, das mächtiger ist als ich, ein Wesen mit feu-rigem Atem. Derga, der goldene Drache, muss geweckt werden. Nur sein Atem ist heiß genug, um das Höllentor zu schließen.“
Merlon ließ seinen Blick über die bleichen Gesichter der Bauern wandern, über die Gesichter verängstigter und er-schöpfter Männer, Frauen und Kinder. Er seufzte und strich sich langsam über seinen weißen Bart, der wie dünne Spinnenfäden bis hinab zu seinem Bauchnabel hing.
Keiner von ihnen dürfte dazu in der Lage sein, dachte Mer -lon. Langsam wandte er sich um, als sein Blick einen Jun-gen traf und an ihm hängen blieb.
Er ist noch jung, fürwahr, dachte er, gerade dem Knaben -alter entwachsen, aber die Haltung seines Körpers und seine zu Fäusten geballten Hände…
Merlon musterte den Jungen mit zusammengekniffenen Augen.
„Hass“, schoss die Erkenntnis wie die Splitter eines explo-dierenden Sterns durch seinen Kopf, der Junge hasst Salina.
Merlon streckte sich, wippte für Sekunden nachdenklich auf den Zehen, dann ging er mit langsamen, weit ausho -lenden Schritten auf den Jungen zu.
„Wie heißt du, mein Sohn?“
Der Junge mit dem langen flachsblonden Haar, das wirr und schmutzig über seine Schultern fiel, hob seinen leicht geneigten Kopf und riss überrascht die Augen auf, als er die Stimme des Zauberers vor sich vernahm.
„Ich…ich“, stammelte er. „Giesbert.“ Seine Lippen zitter -ten.
„Du warst im Gedanken“, sagte Merlon. „Ich habe dich erschreckt.“
Der Junge schüttelte heftig verneinend den Kopf, dann ließ er einen tiefen Seufzer hören. „Es ist nur…“
„Weil dein Herz überläuft vor Hass“, sagte Merlon. „Aus diesem Grunde dringt nichts Anderes in deine Gedanken. Salina muss dir Schlimmes angetan haben, denn dein Hass auf sie ist größer als deine Furcht vor ihr.“
Merlon hörte, wie der Junge hart schluckte.
„Ihre Spinnenmonster haben meine Familie gefressen“, presste Giesbert zwischen den Zähnen hervor.
„Zwei von ihnen habe ich erschlagen, aber es waren zu viele. Ich möchte Salina sterben sehen.“
Merlon wiegte sekundenlang unschlüssig den Kopf. Tiefe Furchen zeigten sich auf seiner Stirn.
„Du bist noch sehr jung“, sagte er. „Aber, ich sehe, du bist tapfer, und da du die Spinnen getötet hast, musst du auch ein guter Kämpfer sein.“
„An unserem Feld grenzte eine Wiese, auf der Ritter oft Kampfübungen durchführten. Ich habe sie beobachtet und von ihnen gelernt. Auch Bauern können die Kunst des Kampfes erlernen.“
Merlon nickte. „Die Ritter sind tot oder kämpfen im Wes -ten. Wenn ich jünger wäre, würde ich selber gehen und die Gefahren und Beschwerden auf mich nehmen, um Derga, den alten Drachen, zu finden und zu wecken. Aber ich fürchte, den Weg schaffen meine schwachen Beine nicht mehr. Deshalb möchte ich dir diese Aufgabe übertragen. Du sollst auch nicht alleine gehen. Der schwarze Ritter wird dich begleiten. Er wird dir zur Seite stehen und dich beschützen, solange er es vermag. Ich weiß, ich verlange viel von dir. Es ist eine schwere Aufgabe, die ich dir auf-bürde, vielleicht doch zu schwer für einen Jungen in dei-nem Alter.“
Giesbert drückte die Schultern zurück, hob den Kopf und blickte Merlon mit Augen an, in denen tiefe Entschlossen -heit lag. „Ich fürchte mich nicht. Sagt mir nur, wo ich su-chen muss und gebt mir eine Waffe!“
Merlon hob hastig eine Hand. „Sachte, sachte, mein Sohn! Nur der Vorsichtige kommt durch. Suche nicht den Kampf. Solange du es vermagst, gehe den Gefahren aus dem Weg. Das Ziel ist nicht, deinen Weg mit getöteten Kreaturen zu säumen und Salina auf dich aufmerksam zu machen. Du sollst Derga zu Hilfe holen. Das darfst du nie vergessen. Nur Derga besitzt die Macht, mit seinem Atem das Höllentor, das Salina aufgestoßen hat, wieder zu schlie-ßen. Und ist diese Tat erst einmal vollbracht, werden wir auch Salina besiegen können. Erst dann, mein Sohn, ist die Zeit gekommen, Salina sterben zu sehen, nicht früher.“
Giesbert presste für einen kurzen Augenblick die Lippen zusammen. Als er antwortete, klang seine Stimme noch entschlossener als zuvor.
„Ich bin bereit“, sagte er. „Für meine Mutter, für meinen
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