Sternenstaub im Kirschbaum
zufrieden. Er wusste natürlich, dass Vicia Malus hasste – nur Musas Schauspiel ermöglichte allen, ihr Gesicht zu wahren. Er würde Vicia wieder los. Die Ginkgo würden zufrieden sein und er würde seine Bezahlung bekommen. Er befand deshalb, dem talentierten jungen Spruchwirker zu helfen und Vicia aus dem Spiel zu nehmen. Galant nahm er ihre Hand und bat sie , auf einem großen Kissen Platz zu nehmen. Eine seiner Frauen gebot er, ihr ein Tuch zu geben, mit dem sich die junge Prinzessin sofort bedeckte und mit dem Protestieren pausierte.
»Ein Glas Wasser?«, fragte er höflich.
»Gerne.« Vicia war erschöpft. Und trank das Wasser. Das allerdings kein Wasser war, sondern eine besonders trickreiche Kräutermischung. Nach nur einem Schluck lächelte Vicia entspannt und sackte in sich zusammen.
Dieses Manöver entging auch Cardamine nicht. Genauso wenig wie Musas haarsträubende Lügengeschichte. Die plötzliche Einigkeit im Raum gefiel ihr ebenfalls nicht. Das würde sie so nicht weiterlaufen lassen.
Musa und Meister Tulpenmohn durften jetzt die geballte Gastfreundschaft der Ginkgo genießen. Es wurde reichlich Speis und Trank aufgefahren. Und niemand achtete auf einen Hund, der wie ein kleines Schwein aussah, oder auf ein weißes haarloses Eichhörnchen. Cardamine zog das schlafende Orakel am Schwanz aus dem Thronsaal, schubste es die Treppe herunter und trug es im Maul weiter in eine Vorratskammer. Dort angekommen verriegelte sie die Tür, sprang auf ein Regal und rollte ein Einmachglas mit einem gefangenen Mehlwurm hervor.
Natürlich waren die Dämonen auch über die Ginkgo hergefallen. Aber Tante Lobelies Hausmittel , Mehlwürmer in Einmachgläser zu sperren und andere Schädlinge an die Wand zu nageln, waren auch in Kardone bekannt. Die eitlen Zicklinge hingegen verzichteten freiwillig darauf nach Kardone zu gehen, weil es dort keine attraktive Kleidung gab.
»Ein Wort und du bist erledigt!« Mehr brauchte Cardamine nicht zu sagen. Gepaart mit einem kurzen roten Aufblitzen ihrer Augen zeigte sich der Mehlwurm äußerst kooperativ. »Los! Raus aus dem Glas!«
»Ja, Meister.«
Sie befreite ihren Leidensgenossen und steckte dafür das Orakel hinein. »Hol mir einen Wasserbeutel und Kernseife!«
»Ja. Meister.« Cardamines neuer Gehilfe tat wie ihm geheißen, was dem schlafenden Orakel von Granadilla ein Vollbad in einem Einmachglas verschaffte.
»Los! Deckel drauf. Und ab mit dem Ding!«, befahl Cardamine und schubste das Glas eine Schräge hinunter. Ein Bohnensack bremste die turbulente Schleuderwäsche. Cardamine sprang hinterher, öffnete das Glas und ließ das jetzt porentief saubere weiße Orakel wieder an die Luft. Noch etwas benommen torkelte es über den Bohnensack, während Cardamine das Glas Seifenwasser mit einem Zug leerte und umgehend Seifenblasen rülpste.
»Du passt jetzt gut auf! Verstanden!« Cardamines Worte ließen ihren neuen Diener nicht an ihrer Entschlossenheit zweifeln. Trotzdem staunte der Mehlwurm nicht schlecht, als sich der Hund, der bisher wie ein kleines Schwein aussah, in eine menschliche Gestalt verwandelte.
»Konnte Cardamine etwa wirklich zaubern?«, fragte seine Enkeltochter überrascht.
»Nein. Das vermochte nur das Orakel, weswegen sie auch so erpicht darauf war, sich seine Macht für alle Zeiten einzuverleiben.«
»Was bin ich hässlich.« Cardamine sah ihr Spiegelbild in einer großen polierten Servierplatte, sie glich nun Musa wie ein Zwilling. Und da bei den Ginkgo ohnehin alle nackt waren, würde es auch nicht auffallen, dass sie keine Kleidung hatte. Es war höchste Zeit, dass sie Musas neuen Freunden etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte. Und da sie schon einmal in der Vorratskammer war, öffnete sie einige Weinflaschen, um dort die verbliebene Kernseife zu entsorgen. Weiterhin vertauschte sie die Etiketten einiger Fischöl-Fläschchen mit denen von sündhaft teuren Moschus-Öl-Ampullen. Natürlich waren ihr die Vorlieben Hisperis Greisenhaupts sieben Frauen bekannt. Die Urgewalt seiner Ehen zu entfesseln, war ihr Plan.
»Wenn du gefragt wirst, wer das war ... antwortest du was?«, fragte sie den Mehlwurm eindringlich.
»Na, der dicke Blonde war's!«
»Fein.« Cardamine tätschelte den kleinen Dämon. »Warte hier, bis sie dich finden.«
»Ja, Meister.«
Cardamine schnappte sich das desorientierte Orakel und verließ die Speisekammer. Das Ziel waren die Schlafräume über dem Thronsaal. Sie bemühte sich nicht , unerkannt zu bleiben, es sollten
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