Sternenstaub

gegangen war, und Finn, wie er … Ich schüttelte den Kopf, um die Grübeleien zu vertreiben.
    Iasons Hand streichelte meine Rippen hinauf und seine Fingerkuppen glitten unter den Saum meines Longsleeves. Sanft berührte ich ihn am Bein.
    »Die meiste Zeit führt man auch hier ein normales Leben.«
    Ich schenkte ihm einen kurzen Seitenblick.
    »Ich meine, für uns ist es normal. Das Wissen, dass sie kommen könnten, ist ein Teil dieser Normalität, verstehst du? Bis sie dann tatsächlich da sind und dein Leben, an dem du so hängst, ganz plötzlich zerstückeln.« Er unterbrach sich und nach einer stillen Weile sagte er: »Du versuchst, es wiederaufzubauen, siehst schon eine Entwicklung und dann wird dir in der nächsten Sekunde wieder alles genommen. Aber das Leben muss weitergehen, also versuchst du es noch mal … und noch mal … immer wieder, mit immer weniger.«
    Es war einer der Momente, für die es keine Worte gab, keine, die irgendwas wiedergutmachen oder lindern könnten. Mir wurde immer bewusster, worauf ich mich eingelassen hatte. Die meisten hier im Süden kämpften nicht in diesem Krieg, sie kämpften ums Überleben. Nur Iason und die anderen Wächter nicht, und als ich das dachte, spürte ich ein beklemmendes Gefühl in uns beiden aufsteigen, das aber nicht meines war. Eine Mischung aus Verpflichtung und Schuld. Gäbe es diesen Krieg nicht, gäbe es Iason nicht. Wie jeder Stern, jeder Planet war auch seine Existenz untrennbar mit Zerstörung verbunden. Mein Stern. Meine Welt. Mein Leben. Mein.
    Wie könnte ich mir da Frieden wünschen? Aber so sah ich es nicht. Unser Schicksal lag in unseren Händen. Wir würden einen Ausweg finden.
    »Magst du darüber reden?«, fragte ich leise. »Was du im Osten erlebt hast, meine ich.«
    Er zog mich an sich und legte die Wange an mein Haar.
    Ich ließ ihm Zeit.
    »Wir hatten uns in einer Höhle vor Lokondras Stadt versteckt«, sagte er schließlich. »Von dort aus versuchten wir, einen Schlupfwinkel oder irgendeine andere Möglichkeit ausfindig zu machen, um in Kraterstadt einzudringen. Ohne Chance. Aber was wir dabei so alles mitbekamen, war schlimmer, als wir jemals befürchtet hatten. Bis dahin hatte ich immer angenommen, Lokondra hätte nur uns Südloduunern alles genommen, unsere Häuser, unsere Heimat und sehr, sehr vielen das Leben. Ich hatte geglaubt, mit unserem Blut würde er sein Volk wieder aufblühen lassen. Aber ihnen, Mia, hat er noch viel mehr genommen, nämlich ihre Seelen. Sie sind alle initiiert.«
    Vor meinem inneren Auge stieg ein Bild auf, von einer Gruppe Loduunern, nein, einem ganzen Volk, die nur noch nach seinem Willen handelten, nicht mehr nach ihrem eigenen Sinn. Jedem Gefühl für Verantwortung beraubt, führten sie nur noch aus, was Lokondra ihnen befahl, und ihre Augen waren dabei so starr, trostlos und leer wie ausgetrocknete Brunnen. Lauter funktionierende Körper ohne Seele.
    Iason hielt mich fest umschlungen und strich über meine Oberarme. »Da war ein Mädchen, nicht älter als Tony. Sie ist beim Wasserholen in den Fluss gefallen und wurde von der Strömung mitgerissen. Luke hat es gesehen. Er ist ihr hinterhergesprungen und hat sie vor dem Ertrinken gerettet.«
    »Richtig so«, hakte ich mit Nachdruck ein.
    Sein Blick wanderte davon. »Das hatte Luke sich auch gedacht, aber als wir sie zum Trocknen mit an unser Feuer genommen haben, hat sie Lokondras Armee gerufen.«
    Erschrocken umgriff ich seine Arme.
    »Mia, dieses kleine Mädchen hat uns verraten, obwohl wir sie gerettet haben, und nun frage ich dich, was muss man ihr angetan haben, was hat man schon den Jüngsten eingeimpft, damit sie so eiskalt handeln, dass sie so entscheiden und uns so hassen können? Was in aller Welten Namen ist auf diesem Planeten geschehen?«
    Seine Frage wog so schwer, wie Worte es auszudrücken vermochten.
    »Lokondras Truppen kamen, und es gab einen furchtbaren Kampf. Aiaton ist tot und Luke hatte es schwer erwischt. Ben machte sich mit ihm auf den Weg zur Raumstation, um ihn in die Krankenstation zu Klara zu bringen. Ihm hatte ich den Brief und den Schlüssel für dich mitgegeben.«
    Jetzt erklärte sich mir das zerknickte Papier und die Krahjakrümel, die herausgerieselt waren, als ich es aufgeschlagen hatte.
    »Luke hat es nicht geschafft«, sagte er und dann lange nichts mehr.
    Er blickte zum Wasserfall. »Bis ich die vielen initiierten Körper gesehen habe«, fuhr er schließlich leise fort, »hatte ich immer geglaubt, es könnte nichts