Sternenstaub
mir gerade die Jacke anziehen, als …
»Was ist?«, fragte Iason vom Höhlenausgang aus.
»Nimm du die lieber. Mit dem schweren Teil gehe ich vielleicht unter.«
Ein Schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Was ist so lustig daran?«
Er zog mich zu sich heran.
»Du, ich glaube, wir haben jetzt echt keine Zeit für …« Was hatte er vor?
Ich fühlte eine eigentümliche Leichtigkeit, während er die Arme fest um meinen Oberkörper legte. Seine Lippen waren ganz nah an meinem Ohr. »Glaubst du, ich lasse dich in den Wasserfall springen und klatschnass auf Ally zurückreiten, damit du dir am Ende noch eine Lungenentzündung holst?«
Stimmt, daran hatte ich gar nicht gedacht. Wahrscheinlich würde ich erfrieren, bevor wir überhaupt in der Siedlung angekommen wären. »Aber wie …?« Mich unterbrach ein leises Rauschen. Die Leichtigkeit nahm zu und dann, es war als würde Sand durch einen Trichter rinnen und in Nichts verschwinden … nur dass mein Körper, nein, mein ganzes Ich selbst der Sand war.
»Lust zu sleiten?«, hörte ich seine Stimme noch und dann gab es uns nicht mehr. Wir waren weg! Hallo? Hatte er mich einfach mitgenommen? Scheint so, dachte ich noch immer ungläubig. Und dann bekam ich Panik. Hilfe! Hilfe!!!! Wo war mein Körper? Meine Hülle? Mein Schutzpanzer! Nackter Terror packte mich und im nächsten Moment prasselte eine Fülle an Erlebnissen im Schnelldurchlauf auf mich ein. Das Aufeinanderprallen aller Gegensätze. Wundersam und erschreckend. Pfeilschnell brachen wir durch das Wasser. Wir, die ja eigentlich gar nicht mehr da waren und folglich auch nicht durch die herabrauschenden Wassermassen brechen, geschweige denn ein Kribbeln empfinden konnten. Aber ich fühlte genau das. Es war da! Heiß und gefährlich. Wie ging das? Auf kürzestem Weg jagten wir die Anhöhe hinauf. Mitten durch Felsen und Baumstämme hindurch. Wir rannten ohne Beine, flogen ohne Flügel, streckten unsere körperlosen Schwingen wie Vögel aus. Aber wenn ich doch gar nicht mehr existierte, was war es denn dann, das mich noch fühlen, handeln und denken ließ? Konnte es tatsächlich sein, dass das Leben, die Welten aus weit mehr bestanden, als aus dem, was wir sehen können? Wenn die Loduuner das mit der von Deneb verliehenen Kraft wahrnahmen, wenn sie damit lebten, dann war das ein zweiter wahrhaftiger Grund, weshalb sie sich nicht der Fantasie bedienten. Ihre Realität bestand aus weit mehr, als ich es mir jemals hätte ausmalen können. Unvorstellbar und Angst einflößend. Denn in diesem Augenblick waren Iason und ich gerade Teil dieser Wahrheit. Zwei körperlose aneinandergeschmiegte Zeugen, inmitten einer Welt, in der weit über die Grenzen der Wahrnehmung hinaus alles, aber auch alles möglich war. Sogar hüllenlose Seelen. Verschwunden und doch da. Nichts und alles. Gefangen in einem Moment, in dem Zeit keinen Namen mehr besitzt. Das war mir zu krass! Nicht, Iason, hör auf!
Am Becken des Wasserfalls, wo wir Salto und Ally zurückgelassen hatten, tauchten wir wieder auf. Mein Herz tobte.
Mit dem Kinn an meiner Schläfe hielt Iason mich umschlungen. Auch sein Atem ging etwas schneller als sonst.
»Wie lange hat das gedauert?«, keuchte ich.
Vorsichtig lockerte er seinen Griff, wohl, um festzustellen, ob ich schon wieder alleine stehen konnte. Erst dann ließ er mich los. »Keine fünf Sekunden.«
Ich sah an mir hinab, ob auch wirklich wieder alles an mir dran war. Fehlte etwas? Nee. Puh, ich war so was von erleichtert und kurz darauf rammte ich ihm meinen Ellbogen in die Seite.
»Aua!«
»Blödmann! Du hättest mich wenigstens vorwarnen können!«
Lachend lief Iason am Ufer davon – nur so schnell, dass er mir jedes Mal mit einem geschickten Haken ausweichen konnte – und ich setzte ihm in die Luft boxend nach, weil ich einfach seine Schulter nicht erwischte. Vergessen war der kurze Schock – und auch der drohende Abschied.
Als ich ihn beinahe hatte, sprang er flugs auf Saltos Rücken. »Komm jetzt, sonst verpassen wir das Frühstück.«
An einer Einbuchtung, eine Stunde später etwa, hielt Iason inne und wartete mit nach innen gerichtetem Blick auf mich.
»Was ist?«
»Skyto ruft mich.«
Ich erschrak. »Ein Angriff?«
»Nein«, sagte er zu meiner Beruhigung. »Aber sie wollen langsam … aufbrechen.«
»Nach Osten?«
Er nickte stumm und lenkte Salto wieder auf die Wasserstraße.
»Okay.« Ich kämpfte um eine einigermaßen stabile Stimme.
Als wir wieder im
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