Sternenstaub
gelegenen Felsplateau wieder auf.
Was er dort tat, hatte etwas voll und ganz Überirdisches. Finn streckte den Arm aus und hielt die offene Handfläche nach vorn. Reglos stand er da in Wächterhose und schwarzem T-Shirt, während seiner vorgehaltenen offenen Handfläche ein hellgelbes Schimmern erwuchs. Mehr und mehr, bis es sich wie schillernde Fäden um seinen Körper zog und kreiste. Dann gab es einen kräftigen Blitz, und die Fäden schossen in alle Himmelsrichtungen davon. – So riefen sich also die Wächter gegenseitig.
Hinter mir näherten sich Schritte. Weit hörbar wie nur die einer Irdin. Mirjam. Das hatte mir gerade noch gefehlt.
Am Himmel erschienen lauter helle Streiflichter, als würden kleine Meteoriten aus der Wolkendecke schießen. Ob das die Antwort auf Finns Ruf war?
Mirjam kam näher und stellte sich neben mich. »Du musst nichts sagen. Jola hat mir alles erzählt.« Wenigstens das blieb mir erspart. Selbst vor ihr hätte ich meine Fassung sonst nicht mehr behalten können.
»Dir geht es richtig mies, hm?«
Ich ersparte mir die Antwort.
»Du kannst mir nichts vormachen. Für Kummer habe ich gute Sensoren.«
Ich blickte zum Felsplateau. Finn war verschwunden.
»Es ist ja auch furchtbar«, fuhr Mirjam mit Tränen in den Augen fort.
Jetzt fang bloß nicht an zu heulen, nein, das packe ich jetzt nicht! , dachte ich mit aufeinandergepressten Zähnen. Mit einem höchst unschicken Schniefen wischte Mirjam sich unter der Nase entlang. Hör auf! Um meine Fassung war es fast geschehen, als sie an ihrer Jacke schnupperte und mit tränenverhangenen Wimpern das Gesicht verzog. »Puh, das stinkt vielleicht nach Rauch hier. Meine Jacke kann ich nachher waschen.«
Das konnte jetzt unmöglich ihr Problem sein! Echt, das Mädchen war so was von bizarr! »Mal offen gefragt«, sagte ich verbittert, »warum bist du überhaupt nach Loduun gekommen?«
Sie antwortete nicht.
»Etwa wegen Hell?«, bohrte ich nach.
Sie stocherte lediglich im Feuer herum, wo es doch angeblich so unangenehm nach Rauch stank. »Wie kommst du darauf?«, antwortete sie schließlich.
»Na, du hier, das passt für mich nicht.«
Eine Weile brauchte sie noch, aber dann: »Hell ist der Erste, der mich ernst nimmt und …« Sie machte eine wegwischende Geste mit den Händen. »Wie solltest du das verstehen?« Traurig senkte sie den Kopf. »Ich weiß nicht, aber vielleicht hatte ich die Hoffnung, dass mein leiblicher Dad das ähnlich sieht und dass ich hier bei ihm ganz neu anfangen kann.«
Ich stutzte. »Du mochtest dein früheres Leben auf der Erde nicht?«
Ihr rechter Mundwinkel hob sich, aber es war kein Lächeln. »Wie könnte ich?«
»Na ja.« Mein Argwohn bröckelte. Mirjam wirkte plötzlich irgendwie anders. »Weil du alles gehabt hast, was dir etwas bedeutet. Geld, Macht, ergebene …« Dienerinnen , wollte es mir schon rausrutschen, aber dann sagte ich: »… Freunde. Und nicht zu vergessen: Lena und mich zum Mobben.«
Wieder dieses bittere Lächeln. »Ja, in deiner Denke passt das wohl gut zusammen.« Kopfschüttelnd fügte sie hinzu: »Mir geht das immer so mit Mädchen wie dir. Ich erwarte schon gar nichts anderes mehr.«
»Jetzt mach hier nicht einen auf armes Opfer.«
»Das ist nicht meine Absicht.«
Ein bisschen misstrauisch war ich noch immer. »Wenn das stimmt, warum warst du dann auf der Erde so?«
Ihre Antwort war einfach und hart. »Weil mein Stiefvater mich so wollte.« Sie lachte traurig und diesmal kaufte ich es ihr ab. »Auch wenn es nie wirklich was genutzt hat. Du weißt schon«, sie malte Anführungszeichen in die Luft, »meiner Erbsünde wegen.«
Weiler, dieser Fiesling!
Und da dämmerte es mir. Die Gummihühner waren die Einzigen, die sie beeindrucken konnte, wenn schon nicht mit ihren menschlichen Stärken, dann mit ihrem Aussehen und ihrem Geld. Tja, in einem kalten sozialen Umfeld wurde man eben auch kalt. Diese Erfahrung hatte ich letztes Jahr in ähnlicher Weise machen müssen.
Vorsichtig setzte ich zu einer nächsten Frage an. »Und wer bist du wirklich?« Ich meine, wir wollen ja nicht gleich übertreiben, Mirjam war noch immer das alte, schnippische und laserüberschminkte Gummihuhn, aber plötzlich interessierte sie mich.
Mirjam straffte die Schultern, drückte den Rücken durch und hob den Kopf. »Genau deshalb bin ich hier, Mia … um das herauszufinden.« Sie sah mich an. Merkte auch sie, wie sich gerade etwas zwischen uns änderte? »Hell wollte nie nach Loduun zurück, aber
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