Sternenstaub
Sehen.
Warum ich? Warum musste ich bis zum Schluss warten?
»Mia«, erklang plötzlich eine Stimme aus dem Wald. Ich wandte den Kopf.
Skyto stand mit leicht gebeugter Haltung unter einem tief hängenden Zweig, an den er seine Hand gelegt hatte.
Gott sei Dank, er hatte überlebt!
Ich begegnete seinem Blick, und er sah mich verhalten an.
Ich schenkte ihm ein willkommenes Lächeln. »Hast du Iason unterwegs gesehen? Wann kommt er?«
Im selben Moment streifte mich ein Luftzug und ich vernahm ein kaum hörbares Zischen. Wie aus dem Nichts geboren tauchte eine Gestalt neben mir auf.
»Finn!«, rief ich erleichtert. Ich fiel ihm um den Hals und fühlte mich wie eine Schäferin, die einfach nur froh war, ihre entlaufene Herde nacheinander wieder zusammenzubekommen.
»Wisst ihr, ob Iason Tony bei sich hat?«, musste ich jetzt nur noch zu meiner Erleichterung wissen. Wenn es so war, wenn sich der Kleine bei ihm befand, dann wäre alles gut.
Statt mir zu antworten, drückte Finn mich nur noch fester. Was war los mit ihm? Was war mit Tony? Gedanken, so viele Gedanken. Unterbrecht sie doch mit euren Stimmen!
Als ich Finn losließ, rieb er sich abgeschlagen über das Gesicht, und als er mich wieder ansah, sandten seine Augen so ein eigenartiges Schimmern aus. Es gefiel mir nicht, und ich wich einen Schritt zurück. Jetzt war ich mir sicher: Irgendetwas stimmte hier nicht.
»Lokondra hat Tony«, flüsterte ich ängstlich.
»Tony?« Erst huschte Verwirrung über Finns Miene. Dann Erkenntnis. Leise sagte er: »Nein, Mia, er hat Iason.«
33
D er letzte Trupp, den hatte er begleitet. Die Gruppe war von Lokondras Spähern überfallen worden, Iason hatte die anderen Wächter mental um Unterstützung gerufen. – Sie kamen zu spät.
Vom Freund zum Feind, so fühlte es sich an. Nur, weil Finn es war, der mir die Nachricht überbrachte.
Und auch von Tony wussten Skyto und Finn nicht viel zu berichten. Hope hatte ihnen erzählt, wie sie Tony im Tumult verloren hatte. Seither fehlte jede Spur von ihm.
Was? Ich starrte sie an. »Er ist bei Demian. Hell hat gesehen, wie er ihn aus der Schlacht gesleitet hat.«
Finn stand vor mir und zögerte, irgendeine Regung über sein Gesicht laufen zu lassen. »Skyto hat versucht, mit ihm mentalen Kontakt aufzunehmen, jedoch ohne Erfolg, was nur eins schlussfolgern lässt.« Leise, ganz leise sagte er schließlich: »Demian ist tot, Mia.«
Die Bedeutung seiner Worte sickerte zu mir durch. Das konnte nicht sein. Das durfte alles nicht wahr sein. »Und Iason?«, kam es wie ein Hauch aus meinem Mund.
Finn nahm mich behutsam und eindringlich zugleich bei den Schultern. »Skyto spürt ihn – wenn auch sehr schwach.«
»Aber … wo ist er?«
Skyto knirschte mit den Zähnen. »Was Klara mir telepathisch mitgeteilt hat, wird dir nicht gefallen.«
Nie hätte ich gedacht, dass ich überhaupt imstande war, dermaßen schnell zu atmen. »Lokondra darf ihm nicht wehtun! Wir müssen ihn da rausholen!«
»Das werden wir auch, Mia. Hörst du?«, sagte Finn. »Wir werden ihn befreien.« Er atmete ein. »Wir wissen nur noch nicht, wie.«
Ich presste den Handrücken auf meine zitternden Lippen und öffnete den Mund zu einem stummen Schrei. »Und Tony?«
»Noch heute Nacht brechen Skyto und wir anderen Wächter auf.« Finn starrte mich auf eine intensive, eindringliche Weise an, als wollte er so meine eigenen Gedanken stoppen. »Mia, wir sind nur zurückgekommen, um die Clans nach Hause zu geleiten und um sicherzustellen, dass der Clan des Stolzes unverzüglich die Siedlung verlassen kann. Lokondra weiß jetzt, dass du nicht im Donjon steckst, er wird hier als Erstes nach dir suchen. Die Leute müssen so schnell wie möglich ihr Korn mitnehmen und wieder in den Bergwäldern Schutz suchen. Wenn er hier nur die geringste Spur von dir entdeckt, wird er sich rächen, nur weil sie dir Schutz gewährt haben. Und das Ganze endet in einem Blutbad.«
Ich nickte hastig. »Klara hat euch also gesagt, wo er ist? Dann ist sie schon bei Lokondra? Hat sie Iason gesehen?«
Diesmal war es Skyto, der mir antwortete: »Ja, das hat sie. Aber ich habe sie so initiiert, dass sie kein Mitleid empfindet. Und genau damit hat sie jetzt auch Lokondras Vertrauen erlangt.«
»Dann ist wenigstens das schon mal geglückt«, sagte Finn. Ein beklommenes Schweigen erhob sich.
»Wo ist Lyra?«, fragte ich schließlich leise.
Finn massierte sich die Stirn. »Ihre Familie kümmert sich um sie.«
Ich hatte mit Verlusten
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