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Sternenstaub

Sternenstaub

Titel: Sternenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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schwer für dich, mein Engel. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, und sage mir, wenn ich irgendetwas für dich tun kann.«

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    B ert. Ich konnte es noch immer nicht glauben. Und genau mit diesem Gesichtsausdruck ging ich neben den anderen die Terrasse entlang, die direkt durch das silberne Glasfasertor zum Amüsierviertel führte. Warum? , fragte ich mich immer wieder. Warum hatte er seine Gabe nicht eingesetzt, um den südloduunischen Rat zu überzeugen, damit er dem Hungersterben im Osten ein Ende bereitete? Okay, der Krieg selbst war nicht Berts Schuld, das dachte ich nicht mehr, aber er hätte ihn aufhalten können. Die Enttäuschung darüber, dass er es nicht getan hatte, schmerzte wie ein tiefer Stachel.
    Tony pikte mich in die Seite. »Mia. Lach mal!« Um mich aufzumuntern, kicherte er, wie es außer ihm wohl nur computeranimierten Comicfiguren gelang. Guin lächelte deswegen ihr typisches Plastiklächeln und sogar Lokondra schmunzelte leise.
    Ich schob meine Gedanken weg. Nach allem, was Tony in letzter Zeit erlebt hatte, sollte es mich freuen, dass er schon wieder so ulkig drauf war. Also nahm ich mir ein Beispiel an ihm, griff nach seiner Hand und wir rannten gemeinsam durch das Glasfasertor.
    Von verspielter Musik begleitet erwartete uns dahinter das champagnerfarbene Kettenkarussell, genau wie auf der Erde. Ergriffen blieb ich stehen und bewunderte die weit schwingenden Zweisitzer. Lachende Ostloduuner hielten sich mit wehenden Haaren an den Ketten fest, während sie ihre Füße baumeln ließen. Lokondra hatte recht. Fast fühlte es sich so an wie zu Hause.
    »Hui!«, sagte auch Tony, wobei er mit großen Augen zu den vielen Ketten schaute, deren Enden am Drehkreuz der konischen Säule befestigt waren.
    Ich sah zu Lokondra und gab ihm ein Zeichen. Er nickte zurück. Ob es an unseren geteilten Emotionen lag, dass wir uns gerade ohne Worte verständigen konnten, wo wir uns doch erst so kurz kannten?
    Ich drehte den Kopf und schielte zu Tony hinab. »Du weißt noch, wie’s geht?«
    Der Junge warf sich in die Brust. »Na logo!« Grinsend wartete er auf mein Startsignal.
    »Dann los!«
    Wir rannten um die Wette. Der Gewinner, so hatten wir es auf der Erde einmal ausgemacht, durfte sich den Sitz aussuchen. Er bevorzugte die Schwäne und ich die kleinen Schiffe.
    Ich lief nur so schnell, dass ich mit Tony gleichauf blieb. Ehrgeizig, wie er war, konzentrierte er sich mit angestrengtem Gesicht darauf, dass er sich bei jedem Schritt möglichst kräftig vom Boden abstieß. Beim Anblick seiner hochroten Wangen wurde mir zum ersten Mal, seit ich hier war, ganz warm ums Herz. Aber bei dem sich anknüpfenden Gedanken ließ ich mich zurückfallen, wurde langsamer und blieb schließlich stehen. Du musst ihm sagen, dass seine Eltern nicht mehr leben.
    Gierig hielt Tony die Kette vom ersten Schwan fest, den er zu greifen bekam, und hob voller Siegerfreude seine kleine Faust.
     
    »Noch mal!«, bettelte Tony.
    Taumelnd stieg ich nach der siebenten Runde aus dem Sitz. »Sag mal, ist dir noch immer nicht schwindlig?«
    Schützend legte Lokondra seine Hand an meinen Rücken. »Guin kann ein paar weitere Runden mit dir fahren«, bot er Tony an. »Mia und ich gehen unterdessen in den Museumsturm.«
    »Allein?« Mein kleiner Aufpasser runzelte die Stirn.
    Ich wuschelte ihm durchs Haar. »Wir sind bald wieder zurück.«
    Da es für mich in Ordnung zu sein schien, erklärte auch er sich einverstanden, außerdem wartete ja das Karussell auf ihn.
    Zehn Minuten später standen Lokondra und ich im obersten Stockwerk des Museumsturms.
    Eine kahle Halle ohne Trennwände oder sonst irgendeine Verzierung. Fassungslos blickte ich auf die vielen gravierten Krahjatafeln, die hier bis zur Decke in die Wand eingefasst waren. Die Atmosphäre hatte etwas Bedrückendes und Erschlagendes zugleich.
    Die Hände auf dem Rücken verschränkt, ging Lokondra neben mir an den Wänden entlang.
    »Was sind das für Namen?«, flüsterte ich.
    Unsere Schritte hallten auf dem schlichten grauen Steinboden wider. Sonst war alles ganz still.
    »Die der Opfer meines Clans, Mia, sie sind an den Folgen der Stürme gestorben, an Not, Hunger oder an daraus resultierender Krankheit.«
    Ich fasste es nicht. So viele! Und weil es schon seit jeher ein irdischer Brauch gewesen war, Mahntafeln für die Opfer von Katastrophen anzufertigen, hatte Lokondra Gleiches auch in Kraterstadt eingeführt. Wie viele mochten das sein? Fünfhundert? Tausend? Oder mehr? Der Clan

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