Sternenstaub
ihre Visionen konzentrierter zu verfolgen und sich nicht ablenken zu lassen.«
Stimmt! Daher kannte ich den Namen. Hell hatte sie Luna auf dem Weg hierher in Form von Kaugummi angeboten.
»Wir sind abgeschweift«, erklärte er. »Kehren wir zurück zum Thema. Sage mir: Wo war ich stehen geblieben?«
Ich kam mir vor wie eine Schülerin. »Das Kind eures eigentlichen Clanoberhauptes hat euch noch tiefer ins Verderben gestürzt. Und deshalb hast du seinen Job übernommen.«
Er quittierte meine Antwort mit einem zufriedenen Grinsen. »Einer musste ja die Verantwortung übernehmen. Und das war auch gut so, denn inzwischen hat sich herausgestellt, dass dieser besagte Sohn, der nach einer spektakulären Flucht auf der Erde aufgewachsen ist, eine nie da gewesene Gabe besitzt, die allen hier außer mir gefährlich werden könnte.«
»Wie meinst du das?«, schob ich ein.
»Weil er inzwischen ein Mann ist, der jeden Tag aufs Neue sein Volk verrät, indem er den Südloduunern seine uneingeschränkte Unterstützung gewährt. Weil er ein Mann ist, der mit allen Tricks versucht hat, deine Zuneigung zu erschleichen. Weil er ein Mann ist, den du sehr gut kennst, Mia.«
Ich blinzelte verdutzt. »Und wer soll das sein?«
»Sein Name ist Ghed.«
»Ghed? Kenne ich nicht.«
»Auf der Erde nennt er sich Bert.«
Wumm! Das hatte dermaßen gesessen, dass mir aus mangelnder Konzentration mein Schutzschild runtergerutscht war.
»Was?« Ich spürte, dass er nicht log. »Bist du dir sicher, dass es sich bei ihm um meinen Bert, also um Bert Vassa aus dem Tulpenweg handelt?«
Er nickte und blitzte mich an, als würde ihn mein Schock darüber geradezu freuen. Diesmal hielt er ihn richtig gern aus.
»Da muss ein Missverständnis vorliegen«, sagte ich stark verunsichert. Ich meine, schließlich wusste ich ja, dass Bert ein Geheimnis mit sich herumschleppte.
Lokondra ließ mir gebührend Zeit zum Verdauen. Bert stammte also vom Clan der Neuerungen. Das haute doch jedem iCommplete die Hülle weg! Aber – »Moment mal! Du hast gesagt, dass du auf der Raumstation gearbeitet hast, als Bert geboren wurde. Wie kann das sein? Bert ist doch schon fast vierzig, du hingegen höchstens dreißig.«
Da war es wieder, dieses süffisante Grinsen. »Tja, ich würde sagen, das spricht klar dafür, auf Loduun zu leben. Hier setzt der Alterungsprozess nämlich viel langsamer ein.«
»Du meinst, auch ich sähe hier mit Ende siebzig noch aus wie ’ne stramme Fünfundzwanzigjährige?«
»Na, ganz so drastisch ist es nicht, aber ja, auch die Irden im Fort sehen für ihr Alter auffällig jung aus.«
»Ähm, wie alt bist du denn, wenn ich mal fragen darf?«
»Sechsundfünfzig«, antwortete er gelassen.
Ach du liebes Weltall, dann war der Typ ja älter als mein Vater!
»Du vergisst, dass wir auf Loduun mehr als hundertfünfzig Jahre alt werden können. Uns bleibt also noch viel Zeit miteinander.«
Also diesen Gedanken schob ich mal lieber ganz schnell ganz weit fort von mir. Lieber wollte ich diese Situation hier zu meinem Vorteil nutzen. »Du hast da von einer besonderen Begabung gesprochen, die Bert angeblich besitzt«, hakte ich nach. »Was ist das für eine?«
»Ich dachte mir schon, dass er die vor dir geheim gehalten hat«, sagte er verschwörerisch. »Du hättest ihm sonst niemals dein Vertrauen geschenkt, nicht du.«
Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl herum, aber Lokondra ließ mich nicht lange zappeln.
»Er ist in der Lage, bei anderen ziemlich eindrucksvoll an das Gewissen zu appellieren, indem er sie in seine offene Handfläche blicken lässt.«
Ich starrte ihn an.
»Ja, Mia. Bert ist in der Lage, jenen, die aus reiner Profitgier und nicht aus Überzeugung handeln, vorzuspiegeln, was für Folgen ihre Rücksichtslosigkeit für sie selbst und andere hat.«
Der Überfall im Trop-W!, schoss es mir wie ein Blitz in den Kopf. Mit einer einzigen Handbewegung hatte Bert die Drohnen auf dem Dach davon abgehalten, uns weiter anzugreifen. »Ja! Jetzt ergibt alles einen Sinn«, sagte ich mehr zu mir selbst.
»Tut es das?« Lokondra sah mich an. »Warum, frage ich dich, hat er dann die Südloduuner nicht zur Vernunft gebracht, als sie uns am langen Arm verhungern ließen? Er hätte uns ganz einfach retten können, ohne, dass wir uns je zur Wehr hätten setzen müssen.«
»Vielleicht wusste er gar nicht …«
»Ach, komm schon, Mia«, ließ er plötzlich vor Entrüstung die Etikette außer Acht, »du weißt genau, dass das nicht
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