Sternenstaub
sich an der Nase. Dann legte er den Kopf in den Nacken und sah zu mir hoch. »Gibt’s hier Pommes mit Ketchup?« Er strahlte, als würde ihm beim bloßen Gedanken daran schon das Wasser im Mund zusammenlaufen. Kein Wunder, Tonys Süßigkeiten- und Junkfoodgelüsten war Bert stets beharrlich entgegengetreten. Und wieder fragte ich mich: Wie konnte jemand, der sich so aufopferungsvoll um die loduunischen Flüchtlingskinder gekümmert hatte, nichts gegen diesen Krieg tun, wenn er doch alle Möglichkeiten dazu besaß? Wie sehr ich auch darüber grübelte, das wollte mir einfach nicht in den Kopf.
»Dann gehen wir doch ins Estance .« Lokondra zeigte auf die Nachbildung zweier offenstehender Eichentürflügel, die eine Terrasse tiefer in einem Rundbogen verankert waren.
Ich muss zugeben, ich war überrascht. »Sag bloß, du hast sogar diesen Nobelburgerschuppen aus meiner Stadt nachbauen lassen?«
Seine Augen funkelten amüsiert. »Selbstverständlich, mein Engel.«
Lokondras Wortwahl gefiel Tony überhaupt nicht, was an seinem finsteren Gesichtsausdruck abzulesen war.
»Dann nichts wie hin!« Um den Kleinen abzulenken, zog ich ihn rasch zur Rolltreppe.
»Leider voll«, sagte ich zu den anderen, als wir uns von dem holzvertäfelten Eingangsbereich aus einen Überblick verschafften. Krass, war das edel hier.
Ein Ober kam auf uns zu. Ich muss ihn nicht näher beschreiben. Starres Gesicht, leere Augen.
Er sagte etwas auf loduunisch und Lokondra nickte. Anschließend führte der Mann uns durch die Tischreihen in ein abgetrenntes Separee, wo zwei andere Drohnen uns schon am Eingang erwarteten.
Ach und da war ja auch Gerome. »Lokondra! Principessa!« Erfreut erhob sich der flippige Stylist mit dem trendy Schal von seinem Stuhl und lud uns mit einer angedeuteten Verbeugung an seinen Tisch ein.
Ich hob freundlich die Hand und fragte Tony: »Musst du vorher noch mal Pipi machen?«
»Nee.« Er hüpfte wie ein Flummi, wobei er in die Hände klatschte. »Ich muss Pommes essen!«
»Dann bestellt doch schon mal. Ich komme gleich nach.« Lachend schob ich ihn zu Guin.
»Also, ich möchte Pommes!«, stellte Tony zur Sicherheit noch einmal klar.
Ich tätschelte seine Schulter. »Die kriegst du ja.«
Lokondra legte mir die Hand an den Rücken. »Hast du denn auch einen bestimmten Wunsch oder möchtest du auf mein Urteil vertrauen?«
»Ja, wähle du«, sagte ich, wissend, dass ich sowieso nicht viel runterkriegen würde.
Um mir den Weg zu den Waschräumen zu zeigen, deutete Lokondra zu einer linkerseits nach unten führenden Treppe.
»Pommes! Pommes!«, hörte ich Tony begeistert rufen.
Und während ich die Stufen hinabstieg, fiel mir auf, dass ich zum ersten Mal gelacht hatte, seit ich in Kraterstadt war. Überhaupt fiel mir das Hiersein viel leichter, seit Tony bei mir war.
Dieser kleine Knirps , dachte ich mit einem zärtlichen Lächeln. Wie schaffte er es nur immer wieder, selbst in die dunkelsten Momente meines Lebens Sonne hineinzubringen? Das war schon vom ersten Tag an, seit ich ihn kannte, so gewesen.
Wow, hier gab es irdische Toiletten. Ja, Lokondra hatte recht. Dieser Ausflug tat echt ganz gut. – Wäre da nur nicht bei allem, was ich machte, der quälende Gedanke an Iason.
Ich wusch mir die Hände und starrte im Spiegel auf mein Gesicht, das mir mit tiefliegenden, erschöpften Augen entgegenblickte, das Gesicht von Lokondras Verbundenen. Ich wusste, dass meine Entscheidung die einzig richtige gewesen war. Iason lebte und das war alles, was zählte. Ein schmerzlich kleiner Kern, auf den unsere Liebe zusammengeschrumpft war. Und jetzt musste ich lernen, so gut es ging, damit umzugehen. Irgendwie. Das war der nächste Schritt.
Das Rauschen des Wassers, die Kälte an meinen Händen, mit der ich jetzt auch mein Gesicht benetzte, das alles vermischte sich in einem Strudel, der mich ergriff und im Kreis wirbelte, während er mich rückwärts in sein Auge zog, zurück in die Siedlung der Stolzen.
Als stünde ich wieder neben ihr im Jadis von Iasons Familie, hörte ich Jolas Stimme in meinem Kopf. Lokondra kann uns alles nehmen, Mia, aber nicht den Mut, hörst du, nicht unseren Willen.
»Iason, du fehlst mir so«, flüsterte ich dem Spiegel entgegen.
Ich musste zurück zu Tony, ich sagte ja schon, es klingt verrückt, aber wenn er in meiner Nähe war, fühlte sich die Tatsache, dass ich hier war, leichter an.
Auf dem Rückweg kam mir Guin zu den Waschräumen entgegen. Lächelnd schob sie sich auf der
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