Sternenstaub
meinem Blick auszuweichen, weshalb ich seinem Gesicht noch näher rückte.
»Tu es!«, zischte ich. »Du wolltest doch alles von mir wissen, jetzt bietet sich dir die Gelegenheit. Ich gebe dir alles, ganz freiwillig.«
Und noch mehr, ließ ich ihn mit meinem ganzem Willen spüren.
Da konnte er der Versuchung nicht widerstehen.
Und ich schickte ihm alles – alles, was mich beim Gedanken an Ariel und daran, wie das Leben hier hätte werden können, berührte … verzweifeln ließ … und noch mehr …
Ich spürte Lokondras blanken Schock, die wilden Stöße, die das Adrenalin durch seinen Körper jagte, aber selbst das genügte mir nicht, ich wollte noch mehr, noch viel mehr.
»Du willst wissen, wie es sich für mich anfühlt? Kannst du haben!« Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf, steigerte mich immer weiter in sie rein und schickte ihm ungefiltert die ganze Intensität meines Schmerzes, sodass Lokondra sich unverwandt ans Herz griff, weil ich es genauso brennen ließ wie meins …
Und Lokondra? Er war inzwischen zu geschwächt von meinen rasenden Emotionen, um ihnen etwas entgegenzuhalten. Aber ich hatte noch nicht genug.
»Wenn ihr Berts Vater nicht vertrieben hättet, wenn er Oberhaupt eures Clans geblieben wäre, hätte Bert als sein Sohn die Clanräte überzeugen können«, schrie ich ihn an. »Er hätte an ihr Gewissen appelliert!«
Eine Drohnin fasste mich an der Schulter, wollte der Szene, die sich hier vor aller Augen abspielte, Einhalt gebieten, aber Lokondra hob die Hand. »Nein«, keuchte er. Und noch einmal: »Nein … für diesen Moment lebe ich.«
Die Drohnin ließ mich los.
Hätte ich in dieser Sekunde einen Blick dafür gehabt, ich wäre sicherlich auf so manchem Drohnengesicht verweilt. In ihren Mienen zeichnete sich plötzlich Unsicherheit ab, aber so sah ich schnell wieder zurück zu Lokondra. »Du kannst ihnen nicht entkommen, meine Gefühle sind zu stark, habe ich recht?«, fragte ich mit einem hasserfüllten Grinsen. »Du wolltest es so.«
Und ich machte weiter … und weiter … und weiter …
Trotzdem war es nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Niemals würde ich es ihm mit gleicher Münze heimzahlen können. Ich schüttete meine ganze Wut und Verzweiflung über ihm aus, für das, was er Ariel und so vielen anderen angetan hatte, machte weiter …
Vornübergebeugt lächelte Lokondra schwer getroffen zu mir hoch. »Mia, mein Engel«, keuchte er, »hör auf. Genug.«
Es war krank, egal wie viele Messer ich ihm in die Brust stieß, es machte diesen Psychopathen glücklich, nur weil es menschlich war. Wenn er schon nicht meine guten Empfindungen zu spüren bekam, dann wollte er wenigstens fühlen, wie es war, wenn es wehtat. Aber alles, selbst das, hatte seine Grenzen. Und genau an diesem Punkt waren wir jetzt. Lokondra mochte mich vielleicht physisch besitzen. In solcherlei Kämpfen würde er immer gegen mich gewinnen, aber meine Waffe war mein Schmerzempfinden, damit würde ich ihn bestrafen. Wieder und wieder und wieder und wieder … bis er es nicht mehr ertrug … bis sein Herz samt seinem kranken Bedürfnis nach Menschlichkeit in Flammen aufging. Sogar Engel haben böse Pläne.
Mit diesem Wissen rannte ich davon, lief auf die nächste Rolltreppe zu und drängelte mich an den darauf stehenden Drohnen vorbei. Ich rannte zum Kraterrand, stürmte eine Treppe hinauf und dann eine nächste, und wieder eine. Immer weiter dem Himmel entgegen. Als ich im oberen Drittel angekommen war, versteckte ich mich außer Atem in einer Felsnische des Kraters. Ich zog meinen iCommplete heraus und wählte Finns Nummer. »Finn! Mia hier, ist Iason in der Nähe? Kann ich ihn sprechen?«
Wenn ich eines in den letzten Wochen begriffen hatte, dann dass die Drohnen empfänglich für Stimmen waren. Sie folgten Lokondra, weil er ihnen versprochen hatte, sie aus dem Elend zu führen, und sie von ihrem Leid zu befreien. Wie vielen von ihnen inzwischen bewusst war, dass der Preis dafür ihre Versklavung war, konnte ich nicht sagen. Aber ich wusste aus eigener Erfahrung von meinen Kämpfen mit Skyto, dass Initiation nicht allmächtig war, dass jeder die Fähigkeit besaß, gegen einen Initiator aufzubegehren. Egal wie verschüttet der eigene Wille war, Mut ließ sich wieder ausgraben. Ich hatte es an mir gesehen und sogar an Guin. Und auch wenn Lokondra ohne Zweifel große Überzeugungskraft besaß, so gab es da noch einen anderen, einen sehr kleinen, und unglaublich großen Irden, der
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