Sternenstaub
sprachen nicht über diesen«, er malte Anführungszeichen in die Luft, » Ausrutscher. Und ihre Mutter klärte sie schließlich erst auf, als Mirjam mit vierzehn plötzlich schockiert ein goldenes Leuchten aus der Stelle dringen sah, wo ihr Herz sitzt.«
»Wie erschütternd, wenn du plötzlich erfährst, dass du jemand ganz anderes bist, als du bisher immer geglaubt hast.« Seit ich von mir als Iasons Sinn wusste, konnte auch ich ein Lied davon singen. Aber Mirjam packte es hierbei im wahrsten Sinne des Wortes an der Wurzel.
Ich sah ihn an. »Dort leuchtet sie also? Am Herz?«
»Sie ist ein Kind der Mitte «, sagte er. »Verstehst du nun, warum sie Weiler alles recht machen wollte?«
Sie hatte Angst, ihm sonst nicht mehr zu gefallen , dachte ich nun und zum ersten Mal in meinem Leben breitete sich so etwas wie Mitgefühl für Mirjam in mir aus. »Wenn sie ihm nicht nach der Nase redet und auch so handelt, könnte er sich ebenso von ihr abwenden, wie dein Vater es getan hat.«
Iason schüttelte den Kopf. »In Punkt eins hast du vielleicht recht, aber was meinen Dad angeht: Er weiß gar nicht, dass er noch eine Tochter hat.«
»Ihre Mutter hat es ihm nicht gesagt?«
»Nein, weil mein Vater meine Mum nicht verlassen wollte, hat auch sie versucht, ihre eigene Untreue vor Herrn Weiler zu vertuschen.«
Was für Zustände. »Weiß Weiler es inzwischen?«
Iason nickte. »Sein Hass auf uns Loduuner kommt also nicht von ungefähr.«
Ich schnaubte. »Was noch lange keine Rechtfertigung ist. Aber eins verstehe ich noch immer nicht. Wenn Mirjam wusste, dass ihr Santos, also, dass du und Hope ihre Geschwister seid, warum hat sie dann versucht, Hope zu entführen?«
Eine Möwe stürzte sich im Steilflug auf ein altes Stück Brot, das unweit von uns im Sand lag.
»Mirjam wollte Hope retten. Ihr Plan war, sie von der Schule abzuholen und zu verstecken, aber SAHs Leute haben ihnen in einem Flugschiff aufgelauert, deshalb war Mirjam gezwungen, das Spiel weiterzuspielen und so zu tun, als wäre sie auf der Seite Der Hand.«
Die Möwe flog triumphierend davon und eine Weile lang durchbrach nur das Rauschen der Wellen die Stille. Dann sah er mich an.
»Tja, wer hätte gedacht, dass du so ausrasten kannst.«
Ich lehnte mich gegen ihn. »Ich mag deine andere Schwester halt lieber.«
Zärtlich kniff er mir in den Bauch, genau dort, wo ich am kitzeligsten war. Ich kicherte kurz und dann wurde es wieder still.
»Deine Emotionen haben mich vorhin fast aus den Schuhen gehauen, das weißt du schon?«
»Konntest du dir das nicht denken? Hallo? Es sah ganz so aus, als würde sie dich anmachen, und du hast dich ja nicht gerade gewehrt.«
Er sah zu mir rüber, verzögerte seine Worte. »Stimmt, ich hätte es besser wissen müssen.« Um seine Lippen zuckte es amüsiert.
Ein bisschen peinlich war mir die ganze Aktion ja schon.
Ich dachte an heute Morgen. »Du kannst es mir nicht leichter machen«, sagte ich schließlich. »Davor kannst du mich nicht beschützen.«
Iasons Augen umhüllten mich mit ihrem blauen Schein, tauchten mich in sanftes Glitzern. Er nahm mein Gesicht in die Hände und strich mit den Daumen über meine Wangen. »Glaub mir, wenn ich anders entscheiden könnte, ich würde es tun.«
»Versprich mir nur, dass du wiederkommst«, flüsterte ich.
Er legte seine schwarze Jacke um meine Schultern. Ich schmiegte meine Wange an die graue Kapuze und ich wusste, diesmal war sie ein Geschenk.
10
U m Iason mit meinen Gefühlen nicht regelmäßig aus den Schuhen zu hauen, hatte ich mir vorgenommen, meinen Kummer zu unterdrücken. Gleiches tat er auch für mich. Tja, es ist manchmal eben nicht so einfach mit den geteilten Emotionen. Solange er noch da war, musste ich die Splitter meines Herzens zusammenhalten. Danach war es egal, danach würde alles egal sein. Es war wie eine unausgesprochene Übereinkunft, wir wollten keine der kostbaren Minuten, in denen er noch hier war, mit Trauern vergeuden. Und doch war von da ab alles anders. Wir spürten es beide, es kostete uns so viel Kraft, unsere Gefühle voreinander zu verschließen, dass wir sehr vorsichtig miteinander umgingen.
Unsere Gespräche verloren an Intensität. Sie fühlten sich leer an. Es war nahezu unerträglich, und doch etwas, das wir miteinander teilen konnten. Deshalb klammerten wir uns daran. Wir verbrachten jede freie Minute miteinander, halfen Bert mit den Kindern. Und während Tony an mir für seinen neuen Traumberuf übte, er wollte jetzt
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