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Sternenstaub

Sternenstaub

Titel: Sternenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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Friseur werden, beobachtete ich mit unzähligen Lockenwicklern, Spangen und Schleifchen im Haar, wie Iason mit Hope im Arm auf der Couch lag, ihr den Kopf kraulte und aus dem Märchenbuch vorlas. Wir versuchten, uns zu beschäftigen, keinen Gedanken an das Danach zu verschwenden. Das Hier und Jetzt war zwar zermürbend, denn uns war bewusst, dass sich die Zeit nicht aufhalten ließ, aber noch waren wir zusammen. Und so blendeten wir die Zukunft weitestgehend aus. Doch es half nichts. Der Abschied rückte bedrohlich näher. Und schließlich war er da.
    An einem Dienstagmorgen standen wir auf der Vulkobase und warteten darauf, dass ein startbereites Flüchtlingsschiff Medikamente und Nahrungsmittel fertig geladen hatte. Eine Gruppe Ärzte bestieg gerade das Raumschiff. Ich schloss Luna in die Arme. »Pass gut auf dich auf.«
    Sie nickte und drückte mich ganz fest. »Du auch auf dich.«
    Mann, was würde ich sie vermissen.
    Ich ließ sie erst los, als Iason sich von Bert abwandte, der ihm mit belegter Stimme und rot geränderten Augen immer wieder auf die Schulter geklopft und alles und noch mehr Gutes gewünscht hatte. In voller Wächtermontur stand Iason nun vor mir, mit seinen schwarzen Stiefeln, der grauen Hose und offener Jacke, die bis zu seinen Hüften ging.
    »Bleib hier«, wisperte ich heiser. »Hope braucht dich«, wagte ich einen letzten illusorischen Versuch.
    Iason schüttelte kaum merklich den Kopf. »Du weißt genauso gut wie ich, dass sie hier keine Perspektive hat.«
    »Ich schaffe ihr eine Perspektive«, sagte ich.
    Seine Miene war verschlossen, aber ich spürte, wie schwer ihm das alles fiel. Ganz sanft legte er die Hände um mein Gesicht und küsste mich auf die Stirn. Seine Lippen brannten auf meiner Haut. »Mia«, leise Worte, ganz nah, »du bist stark und hast unseren Kindern so viel Hoffnung zurückgegeben. Aber was nutzt ein Leben in Sicherheit, wenn es einen so sehr zerschneidet, dass es kein Leben mehr ist? – Kümmerst du dich um Hope? Tust du das für mich?«
    Ich nickte. Viel länger würde ich die Splitter meines Herzens nicht mehr zusammenhalten können.
    Dann griff er in seine Jackentasche und zog einen kleinen blauen Umschlag hervor. »Ich habe noch etwas für dich.«
    Mit diesem höchst zerbrechlichen Zehnkiloherzen in der Brust nahm ich den Brief an mich und strich mit den Daumen über die elegant geschwungenen Buchstaben, die darauf geschrieben standen. Über den Wolken scheint immer die Sonne. Iasons Handschrift.
    »Für den Fall, dass du mal nicht mehr weiterweißt.« Er berührte meine Wange und wartete, bis ich ihn ansah. »Aber öffne ihn erst dann, versprich es mir.«
    »Das wäre wohl jetzt«, sagte ich.
    »Ich meine es ernst.«
    Ich auch , dachte ich, sagte aber: »Versprochen.«
    »Pass gut darauf auf«, sagte er sanft, »bis ich wieder bei dir bin.«
    Irritation zeichnete meine Miene. »Auf was?«
    Er schob mir eine vorgefallene Strähne hinter das Ohr. »Du verstehst es, wenn du ihn öffnest.« Ich wollte den Moment für immer festhalten, als er jetzt den Kopf neigte und seine Stirn an meine lehnte. Mit geschlossenen Augen stand ich da und sog den Moment in mir auf, während er mich ein letztes Mal in seinen blauen Schimmer tauchte.
    Dann ließ er mich los und beugte sich zu Hope hinab. Die beiden flüsterten sich in ihrer eigenen Sprache etwas zu. Schließlich schlang das Mädchen die Arme um seinen Hals. »Nimm mich mit.«
    Iason strich ihr über die blonden Locken. Mit einem geflüsterten: »Ich hole dich nach, versprochen«, drückte er sie und richtete sich auf.
    Er drehte sich um, ging auf das Raumschiff zu und stieg, ohne uns einen letzten Blick zu schenken, ein.
    Als Hope zu weinen anfing, nahm Bert sie auf den Arm.
    Ich wollte es nicht sehen und so drehte ich mich weg, bevor sich die Türen des Raumschiffs schlossen.
    Bert berührte mich an der Schulter, doch ich schüttelte seine Nähe ab und rannte fast zum Ausgang. Ich konnte hier unmöglich bleiben, während die Fähre abhob. Ich konnte es einfach nicht.
    Ein dumpfes Dröhnen in meinem Kopf verschlang die Stimmen der Techniker und Vulkobeauftragten, die mit Headsets und iPads an mir vorbeizogen, während ich den Flur entlangeilte.
    Auf dem Parkplatz stand Frank mit Gretas Flugschiff. Ohne ein Wort öffnete er mir die Tür und ich stieg ein. Schweigend flogen wir los.
    Aber dann drang ein Wummern durch die halb heruntergelassene Scheibe. Ein Wummern, das sich mit voller Wucht über die gesamte Stadt legte.

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