Sternenstaub
Schwachsinn.«
Lena musterte detektivisch mein Spiegelbild. »Na ja, aber gelungen ist es ihm schon irgendwie. Du machst auf mich nicht gerade den Eindruck, als würdest du jeden Moment losheulen.«
Stimmt, Iasons knallharte Aktion hatte den Niagarafall meiner Gefühle tatsächlich eingefroren. Um mich schnell abzulenken, teilte ich ihr Haar in Strähnen. Dabei senkte ich den Blick und schluckte. »Aber das kommt noch, verlass dich drauf.«
Als Lena merkte, auf welch dünnes Eis wir gerade zusteuerten, stubste sie mich grinsend mit dem Ellbogen in die Seite, um mich scherzhaft zu necken. »Vielleicht hat er auch einfach nur Angst, mit dir zu schlafen?«
»Lena!« Ich setzte den Kamm ab.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich mein ja nur, immerhin seid ihr zwei jetzt schon ’ne längere Weile zusammen.«
Ich blieb ihr eine Antwort schuldig.
»Ihr habt also noch immer nicht?«
»Sonst hätte ich dir doch schon längst davon erzählt«, antwortete ich fast ein wenig patzig. Es lag ja nicht daran, dass wir nicht wollten. »Im Tulpenweg platzt immer eins der Kinder in unser Zimmer und bei mir zu Hause spielt meine Mutter wachsam den Anstandswauwau.«
Lena grinste. »Na, jetzt, wo ihr euch verbinden wolltet, wohl kaum noch.«
»Ich hoffe doch. Aber du weißt ja, dass meine Mum oft alles andere als logisch tickt. Seit sie uns einmal beim Schmusen erwischt hat, mussten wir sogar immer die Tür einen Spaltbreit auflassen.« Ich rollte mit den Augen. »Wir sind beide achtzehn.«
Verschmitzt grinsend tippte sie sich gegen die Schläfe. »Kann Iason da nicht was Loduunisches drehen?«
»Lena!«
»Kommen wir zu Baustelle zwei. Nur um das klarzukriegen: Du hättest also um ein Haar eingewilligt, einen Massenmörder zu unterstützen, wenn Iason dich nicht aufgehalten hätte?«
Ich schaffte es nicht zu antworten, und pinselte ihr die erste Strähne mit dem Glitzer ein.
»Und jetzt? Wie denkst du jetzt darüber?«, fragte sie ernst.
Ich zögerte. »Dass Iason recht hat«, flüsterte ich leise, »aber es kommt einfach nicht in meinem Herzen an, verstehst du?« Eine Weile pinselte ich schweigend weiter. »Ich möchte so nicht sein«, sagte ich schließlich, »ich will so nicht fühlen.« Zweifelnd sah ich zu ihr hin. »Was bin ich nur für ein Mensch, Lena?«
Lena tauchte mit ihrer Hand unter dem Frisierumhang auf und griff aufgrund des Korsetts ungelenk nach meinen Fingern. »Ein Mensch, der um jeden Preis diejenigen beschützen will, die er liebt?«, schlug sie vor.
Unsere Blicke trafen sich im Spiegel. Ihrer zärtlich, meiner unsicher. »Und? Ist das richtig?«
Auf diese Frage hin wurde ihre Miene wie meine, und weil wir beide so idiotisch hilflos in den Spiegel starrten, mussten wir fast lachen, aber nur fast. Konnte Liebe einen wirklich dazu treiben, sich auf ein derartiges Verbrechen einzulassen?
»Ja, sie kann«, antwortete meine beste Freundin, weil sie mir als Einzige, auch ohne dass ich sprach, ansehen konnte, was ich dachte. Dann nahm sie mir das Haarfärbemittel und den Stielkamm ab und legte beides auf das Waschbecken. »Iason tut das Richtige, Mia. Und wenn du ganz tief in dich reinhörst, weißt du das auch.«
Eine Hand in die Hüfte gestützt, legte ich die andere vors Gesicht und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Ob ich es mir eingestehen wollte oder nicht, genau so war es.
Lena stützte sich mit beiden Händen an den Armlehnen ab und hievte sich trotz Korsett allein hoch. Sie breitete die Arme aus und wir drückten uns ganz vorsichtig.
»Aber warum gönnt er uns dann nicht wenigstens die letzten Tage?«
»Herrje, jetzt teilt ihr zwei schon eure Emotionen. Kannst du dir das nicht denken?«
Doch, ich konnte, aber ich wollte nicht, dass es so mit uns endete.
Und in den nächsten Sekunden zog alles an mir vorbei: Lena, wie sie im Krankenhaus lag, nachdem Frank mit ihr vor der Brüstung in der Alten Oper gestanden hatte. Hope, als SAH, Die Hand, ihre Kette vor Iasons Füße geworfen hatte und er sich zwischen ihrem und meinem Leben entscheiden sollte. Mum, deren Gesicht, als sie die Wahrheit über mich und Iason erfuhr, um mindestens zehn Jahre gealtert war und woraufhin sie sich nur noch mit den stärksten Beruhigungstabletten über Wasser halten konnte, bevor Skyto ihre Erinnerung wieder gelöscht hatte. Greta, wie sie gelitten hatte, während Barbara verschwunden war und Taria sie zu einem ihrer Drohnen machen wollte. Ja, das alles musste dringend ein Ende finden.
Lena streichelte mir
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