Sternenstaub
dieser Vorstellung hoben sich meine Mundwinkel. So war meine Lena. Stur wie ein australisches Maultier. Aber dann regte sich noch ein zweiter Gedanke in meinem Kopf. Okay, es ging also darum, möglichst starrsinnig zu sein. Eigentlich war das doch meine Spezialität. »Warum klappt es dann bei mir nicht?«
Finn wandte sich mir zu. Er wartete, als müsste er sich seine Worte erst geschickt zurechtlegen. »Nun, du hast in der letzten Zeit sehr viel durchmachen müssen, Mia. Das hat dein Schmerzempfinden, also deine Grenze des Unerträglichen, wohl ziemlich weit nach oben geschraubt.«
Na super! Wollte er mir damit etwa zu verstehen geben, dass ich zu einem Waschlappen mutiert war?
Und Finn sprach noch weiter. »Deshalb lässt du dir von Skyto Dinge gefallen, für die Lena ihm wahrscheinlich schon sieben Messer in den Bauch gerammt hätte. Du erkennst einfach nicht mehr die Not dahinter, die es braucht, um sich entsprechend zu wehren. Denn das genau ist Brainsafing, dass du nur das zulässt, was du auch wirklich aus freien Stücken heraus willst. Wenn man schon viel durchgemacht hat, kann es unter Umständen ein langer Weg bis dahin sein, aber wenn du einmal den Dreh raushast, wirst du immer wissen, wie es geht.«
Ich blickte auf meine Hand. Sie pochte wie wild und hatte große Ähnlichkeit mit einer Buckelpiste, auch wenn die Schmerzen dank Finns Salbe etwas nachgelassen hatten.
»Deshalb fordert Skyto dich so gnadenlos heraus. Nur, damit du es lernst, Mia.«
Ätzend, was war ich denn für ein erbärmliches Geschöpf geworden? Nur damit ich lernte, meine Grenzen zu stecken. Oje, wenn Greta auch nur eine blasse Ahnung davon hätte, was ich mir hier gefallen ließ, sie würde mich in ihre Werkstatt sperren und mit einem einjährigen Dauerseminar vierundzwanzig Stunden am Stück drangsalieren, und zwar so lange, bis ihr gesamter Feministen-Club vor mir zitterte. Aber sosehr ich mich gerade nach Gretas und auch nach Lenas Nähe sehnte, hier musste ich wohl oder übel allein durch. Um mich zu schützen, musste ich ganz dringend meine Grenzen überdenken und wieder klar definieren.
»Ach, dann hab ich es also nur nicht gecheckt«, sagte ich sarkastisch, »eigentlich ist Skyto ein Engel.«
Finn schnaubte. »Na, na, wir wollen nicht gleich übertreiben. Sagen wir, er ist ein Engelarsch.«
Damit konnte ich mich arrangieren. Freundschaftlich stieß ich Finn mit dem Ellbogen an.
Er zog mich zu sich. »Komm her.« Ich lehnte den Kopf an seine Schulter. »Du schaffst das, Mia. Du bist doch unsere alte Emoschleuder.«
Ich richtete mich wieder auf. »Eure was?«
»Emoschleuder«, wiederholte er mit perfekter Unschuldsmiene, »so nennen wir dich immer, wenn wir über dich sprechen und Iason nicht dabei ist.
»Finn Goodway!« Ein spielerisches einhändiges Ringen begann. Ich wusste doch genau, wie kitzelig er war.
Anschließend ließ er sich rückwärts aufs Bett plumpsen. »Ich versteh echt nicht, dass du dich bei Sky so anstellst, Mia, mich vermöbelst du doch auch ständig nach Herzenslust.«
Ich veränderte meine Sitzposition. »Sag mal, bist du auf Loduun eigentlich auch einem Mädchen vorbestimmt?«
Finn räusperte sich, irgendwie verlegen, wie mir vorkam. Dann rückte er raus. »Ich, ähm, also laut unserem Seher gelte ich in meiner Welt als schwer vermittelbar.« Er gluckste etwas von »zu luftig und extrovertiert«, aber es klang nicht wirklich fröhlich.
Ich griff nach seiner Hand. »Vielleicht für deine Welt.« Er begriff, dass ich auf Lena anspielte, und zog die Hand zurück. »Mein Sinn besteht darin, diesen Krieg zu Ende zu bringen, Mia.« Er unterbrach sich und setzte nach kurzem Zögern wieder an. Leiser diesmal. »Dafür werde ich sterben und wir sollten alle hoffen, dass es bald so weit kommt.« In seinen Worten lag eine bittere Resignation, anders ausgedrückt Lebenserfahrung, die ich sonst von Finn nicht gewohnt war.
Ich holte Luft. »Es wird einen Weg für euch geben. Wir müssen ihn nur finden .« Und dabei dachte ich auch fest, ganz fest an Iason.
Die nächsten Tage verbrachte ich ziemlich komplett mit dem Engelarsch. Er schaltete wieder einen Level zurück und wir übten jede Abwehrmöglichkeit von Gedankenmanipulation, trainierten aber auch ein bisschen Kampfkunst und Verteidigung mit Alltagsgegenständen. Begeistert war er geradezu, als er mich einmal selbst meine Waffen wählen ließ, woraufhin ich ihm demonstrierte, wie geschickt ich mit der Bratpfanne und dem Nudelholz umgehen
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