Sternenstürme
hatte Wache in der Mittelschicht, der ›Nachtschicht‹ in Raumschiffen. Als Leiter der Astrogations-Abteilung vermochte er sich selbst in jede beliebige Schicht einzuteilen. Er hatte sich aber bewusst für die unbeliebte Mittelschicht entschieden, weil sie schön ruhig war und seinen zwei erschöpften Assistenten eine Verschnaufpause bot. Sie hatten die ganze Zeit, während er auf dem Planeten war, ununterbrochen Dienst geschoben.
Es war bereits ein ganzer Tag vergangen, seit die New Hope von Pasol gestartet war. Und es würde noch einmal zwei Tage dauern, bis sie das Sternentor erreichten. Von dort würden sie nach Gasak springen, um ihre Spur zu verwischen
und anschließend zur Brinks-Basis zurückkehren. Sie hätten den Transit natürlich auch zu beschleunigen vermocht, aber damit hätten sie preisgegeben, dass ihr Schiff eben kein gewöhnlicher Frachter des Typs Sieben war. Diese Tarnung mussten sie aber aufrechterhalten. Also schleppten sie sich mit 0,8 Standard- g durchs System.
Natürlich traf der Begriff ›dahinschleppen‹ bei modernen Sternenschiffen nicht zu. Anders als die primitiven Raketen des frühen Weltraumzeitalters vermochten die Normalraum-Generatoren der New Hope über Tausende von Stunden kontinuierlich zu beschleunigen. Das bedeutete, dass Sternenschiffe den antriebslosen Flug vermieden, der in früheren Jahrhunderten die normale ›Betriebsart‹ der Raumfahrt gewesen war. Stattdessen beschleunigten sie angetrieben auf eine Geschwindigkeit von knapp einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Und nachdem sie die erste Hälfte der Reise auf eine solche Geschwindigkeit beschleunigt hatten, wurde dieses Tempo in der zweiten Hälfte wieder aufgezehrt.
Bei einer Beschleunigung von 8/10 g hatte die New Hope an einem einzigen Tag die gleiche Entfernung bewältigt wie die Erde in ihrem jährlichen Umlauf um die Sonne. Dennoch hatten sie bisher kaum ein Zehntel der Entfernung zum Sternentor zurückgelegt. Indes ist eine kontinuierliche Beschleunigung mit dem Prinzip von Zins und Zinseszins vergleichbar. Das Tempo steigt rasant an. Ihre Geschwindigkeit war bereits so hoch, dass sie schon in zwölf Stunden die Hälfte der Strecke bewältigt hätten und das Schiff durch eine Rotation wieder abbremsen müssten, damit es nicht über das Sternentor hinausschoss.
Die meiste Zeit seit dem Abflug vom Planeten hatten sie einen Kommunikationslaser auf die Chicago in der Oort’schen Wolke gerichtet. Die planetarische Datenbank von Pastol war viel zu groß, um den kompletten Inhalt
an ihren entfernten Geleitschutz zu übertragen, sodass nur der Teil übermittelt wurde, den die Forscher interessant fanden.
Außerdem verbrachten die Mitglieder der Bodentruppe den Tag damit, ihre Eindrücke von Pastol aufzuschreiben. Die Forscher der Arbeitsgruppe Alien-Abschätzung löcherten sie mit Fragen, die so konzipiert waren, um ihnen selbst die kleinsten Details ihrer Erinnerung zu entlocken. Sie waren so nervig, dass, als die Befragung beendet wurde, damit die Opfer sich wieder den normalen Tätigkeiten an Bord widmen konnten, dies geradezu eine Erholung war.
Die Mittelschicht verlief so ruhig, wie Mark es sich erhofft hatte. Nach dem hektischen Aufbruch war es eine Wohltat, unter dem blauen ›Nachtlicht‹ zu sitzen und die kühle Brise der Belüftung zu spüren, die den Nacken umfächelte. Das heißt, es blieb ruhig, bis Mark die obligatorische stündliche Positionskontrolle protokolliert hatte. Just in diesem Moment drang ein Computeralarm an sein Ohr.
»Was gibt’s denn für ein Problem, Herr Rykand?«, fragte Ensign Malkovich mit einer Stimme, die vor jugendlichem Elan fast kippte. Malkovich war der jüngste Offizier der New Hope .
»Ich überprüfe es gerade«, erwiderte Mark und rief verschiedene Anzeigen auf. Die Ursache der Warnung war unschwer zu erkennen. Während des Aufstiegs zum Sternentor hatten sie eine ganze Sensorenbaugruppe auf Pastol gerichtet.
»Oh, Scheiße!«, fluchte Mark leise.
»Was ist denn?«, fragte der Ensign. Diesmal kippte seine Stimme wirklich. »Dieser Rächer ist gerade aus der Bahn ausgeschert, mein lieber Malkovich. Er ist uns auf den Fersen. Sie sollten lieber den Kapitän wecken.«
»Der Kapitän ist schon wach«, rief eine müde Stimme von der Zugangsluke. Mark warf einen Blick über die Schulter und sah Captain Harris die Brücke betreten, wobei er noch den Verschluss des Bord-Overalls zuzog. Ensign Malkovich räumte sofort den Kommandantensitz für den
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