Sternenstürme
Gang allein waren, fragte Lisa: »Was geht hier überhaupt vor?«
»Sar-Say ist entführt worden!«
19
›Nach oben‹ erwies sich als das Büro des Leiters des Harvard-Konferenzzentrums. Nachdem Dieter Pavel Lisa und Mark hereingebeten hatte, sahen sie, dass alle drei Direktoren um eine sichtlich erschütterte Wache herum standen. Die Wache trug die Schulterstücke eines Leutnants und einen weißen Verband, der diagonal über die linke Schläfe verlief.
Und es war noch jemand im Büro – Tony Hulsey, Parlamentarischer Fraktionsvorsitzender der Koordinatorin. Der Leutnant der Wache war nicht als Einziger sichtlich erschüttert. Alan Fernandez’ Teint war schmutzig-weiß.
Dexter Hamlin schaute flüchtig auf, als Mark und Lisa eintraten. Seine dunklen Augen waren auf Lisa fixiert. »Gut, dass ihr hier seid. Wir brauchen eure Expertise.«
»Was ist überhaupt geschehen?«, fragte sie.
»Vier Wächter wollten Sar-Say wieder in seine Zelle bringen, als sie von einer unbekannten Zahl von Angreifern attackiert wurden. Sie wurden alle gleichzeitig durch illegale Taser betäubt. Die Strahlen haben sie für ein paar Sekunden außer Gefecht gesetzt, und als sie dann wieder zu sich kamen, war Sar-Say weg. Leutnant Forster hat einen ziemlich harten Schlag an den Kopf bekommen, und einer seiner Männer hat einen gebrochenen Arm.«
»Schon irgendeine Idee, wer die Angreifer waren?
»Keine. Wir wissen nur, dass sie verdammt gut organisiert waren.«
»Woher wussten sie überhaupt, welche Route sie nehmen würden?«, fragte Mark spontan.
Der Leutnant schaute ihn an und sagte: »Meine Schuld. Wir haben den kürzesten Weg durch die Fußgängerzone gewählt, weil wir Sar-Say schleunigst wieder hinter Schloss und Riegel bringen wollten.«
»Aber wir müssen doch Anhaltspunkte bezüglich der Identität der Täter haben«, sagte Lisa.
Hamlin wandte sich ihr zu. »Sie können von jeder Splittergruppe sein. Von den ›Religiösen Freigeistern‹, die Sar-Say für eine Ausgeburt der Hölle halten, von der Gruppe ›Rettet Die Erde‹, für die moderne Technik Teufelszeug ist, von der Raumfahrt ganz zu schweigen, oder von den ›Radikalen Konservativen‹, in deren Augen wir die Steuergelder grundsätzlich verschwenden – egal, wofür wir sie verwenden. Zum Teufel, vielleicht war es auch nur eine Straßengang, die ihn als Geißel genommen hat und nun ein dickes Lösegeld rausschlagen will. Ich persönlich halte aber Terra Nostra für die Täter.«
»Wieso gerade die?«, fragte Mark. »Vasloff plädiert zwar für den Rückzug von den Sternen, aber durch die Entführung von Sar-Say wäre seiner Sache doch auch nicht gedient.«
»Vielleicht war es jemand anders«, sagte Lisa mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln.
»Und wer?«
»Vielleicht hat Sar-Say das selbst inszeniert.«
»Sprich weiter«, sagte Hamlin.
»Ich stelle nur Mutmaßungen an, musst du wissen«, erwiderte sie zögernd.
»Tu dir nur keinen Zwang an. Deshalb haben wir dich schließlich hergebeten.«
»Ich habe lange Zeit mit Sar-Say zusammengelebt«, sagte sie. »Er ist ziemlich intelligent – vielleicht sogar intelligenter als wir. Ich bezweifle, dass er seine Fluchtpläne aufgeben würde, nur weil es beim ersten Versuch nicht geklappt hat.«
»Wollen Sie damit sagen, das sei ein Gefängnisausbruch gewesen?«, fragte Alan Fernandez herrisch. Als er den Satz beendet hatte, war seine Stimme jedoch in ein schrilles Quieken umgeschlagen.
»Genau«, erwiderte Lisa.
»Und zu welchem Zweck?«
»Natürlich zu dem Zweck, um von diesem Planeten zu verschwinden und zur Souveränität zurückzugelangen.«
Der Direktor des Broanischen Instituts schüttelte den Kopf. »Das ist doch verrückt. Kein Mensch würde einen solchen Verrat an der Erde begehen.«
»Sind Sie sicher? Er könnte seine Fluchthelfer mit unvorstellbarem Reichtum überhäufen.«
Es folgte ein langes Schweigen, das Dexter Hamlin schließlich brach: »Dadurch erscheint die Sache in einem ganz anderen Licht.«
»Wieso?«, fragte Hulsey.
»Überlegen Sie doch mal«, fuhr Marks Chef fort. »Vielleicht wurde Sar-Say von jemandem entführt, der ihm ans Fell will. Dann werden wir vielleicht schon heute Nachmittag seine Leiche aus der Bucht ziehen. Vielleicht wurde er aber auch entführt, um Lösegeld zu erpressen.
Im ersten Fall würde sein Tod zwar einen großen Verlust für unsere Forschung bedeuten, aber es wäre dann auch ausgeschlossen, dass er die Broa von unserer Existenz in Kenntnis setzt. Im
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