Sternenteufel
Morgen, nachdem diesmal sie besessen gewesen war (denn was sonst als ein Geist, der sich ihrer bemächtigt hatte, konnte sie einem Sargon in den Weg treiben?), hatte er ihr Leben gerettet. Er hatte sie hierhergebracht, war in die Dunkelheit des Tunnels gestürmt, als kenne er ihn blind und wüßte genau, was an seinem Ende lag. Er nahm auch die Fackeln aus ihrem Gefäß und zündete sie an, mit der Sicherheit eines, der nicht zum erstenmal hier war.
»Du kennst diesen Ort sehr gut«, sagte sie heftig, und entschlossen, den Raski zu einem Geständnis zu zwingen. »Wie sonst hättest du sie finden können?« Sie deutete auf die Fackeln. »Das hier ist ein geheimer Tempel, in dem ihr euren Rachegelüsten nachgeht. Und du hast mich hierhergebracht, um mich diesem Atturn zu opfern.«
Sie wußte nicht, wie sie auf diese Beschuldigung gekommen war, aber sie war ihr entschlüpft, ehe ihr überhaupt bewußt wurde, was sie sagte. Aber daß sie damit die Wahrheit getroffen hatte, bezweifelte sie nicht, und das machte sie noch wachsamer.
»Nein!« Er streckte die Hände aus, als wollte er das Gesicht mit dem klaffenden Mund abwehren und alles ablehnen, wofür es stand. »Ich weiß es nicht! Ich sagte dir doch, ich weiß es nicht!« Grimm erwuchs in seiner Stimme. »Es ist nicht ich – es – es ist etwas, das mich zu seinem Diener macht. Und – ich – will – ihm – nicht – gehorchen!« Seine letzten Worte waren schwer wie Schläge, mit denen er sich gegen einen Feind wehrte. Elossa bezweifelte nicht mehr, daß er glaubte, was er sagte. Doch sie war sich gar nicht sicher, daß er die Kraft aufbrachte, sich vor der Macht zu schützen, die ihn schon zweimal beherrscht hatte.
Der Raski drehte sich um und wandte der höhnischen Fratze den Rücken. Seine Augen flehten Elossa an, ihm zu glauben. Er kniff die Lippen zusammen und schob das Kinn vor.
»Da ich gegen dieses – dieses Ding nicht ankomme, das mich nach seinem Willen lenkt, ist es besser, wenn wir uns trennen. Ich gehe lieber meinen Weg allein, bis ich sicher sein kann, daß ich nicht nur eine Marionette bin.«
Das klang sehr vernünftig – aber es gab da noch etwas. In der vergangenen Nacht war sie ihrerseits gelenkt worden, war schlafwandelnd in den Tod geschickt worden. Dabei hatte ihre Rasse angeborene geistige Barrieren gegen dergleichen, oder zumindest hatte sie das geglaubt. Kein Yurth konnte den Geist von seinesgleichen lenken, auch nicht den eines Yurth, der keine solche Barriere errichtet hatte. Mehr als kurzlebige Halluzinationen aufzubauen, war ihm nicht möglich.
Doch das hier waren keine Halluzinationen. Hier handelte es sich um geistige Kräfte einer Art, wie sie Elossa fremd waren. Und das erweckte Angst in ihr. Die Gabe der Yurth war immer allem überlegen gewesen. Vielleicht waren sie sogar unbewußt arrogant geworden, weil sie so stolz auf diese Gabe waren und soviel wußten und soviel damit tun konnten.
War es, weil sie die Last der Yurth abgestreift hatte, daß sie irgendwie anfällig für diesen unbekannten Faktor geworden war, den Stans erkannte und an den sie wohl auch glauben mußte? Wenn das ihre Schuld war, dann stimmte es, daß sie, genau wie der Raski, sich eine neue Bürde auferlegt hatte – oder einen neuen Fluch – und sie lernen mußten, sich entweder von ihr zu befreien, oder sie zu tragen.
»Es lenkte auch mich«, sagte sie. »Wandelte ich denn nicht fast geradewegs in den Rachen des Sargons, ohne mir dessen überhaupt bewußt zu sein?«
»Es ist nicht Yurth«, sagte er überzeugt. »Es ist irgendwie Raski – von dieser Welt. Aber ich schwöre dir beim Blut und der Ehre meines Hauses, daß ich nichts von diesem Ort weiß, nicht einmal Legenden darüber kenne, noch habe ich eine Ahnung, wie ich hierhergelockt worden bin, genausowenig aus welchem Grund. Ich bete keinen Teufel an, und dieses – Ding ist böse! Man kann seinen teuflischen Gestank in der Luft riechen. Ich kenne Atturn nicht, weiß nicht, ob das Atturn ist.«
Wieder spürte sie, daß er sprach, was für ihn die reine, absolute Wahrheit war. Die Raskizivilisation war in dem großen Trauma der Zerstörung von Kal-Hath-Tan untergegangen. Obwohl die Menschen weiterlebten, war die innere Quelle ihres Mutes, ihres Stolzes und ihres Ehrgeizes versiegt. Viel ihres Wissens von vor den Tagen, da das Yurthschiff ihre Stadt verwüstete, war verlorengegangen.
Sie standen an einem Ort der Macht. Sie spürte ihre Kraft, die sich wie schmale Finger über den Schutzschild
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