Sternenteufel
Scheibe wies kleine Sprünge und eine Verfärbung auf. Elossa hauchte sie an und rieb sie an ihrem Umhang, aber die Verfärbung verschwand nicht. Ohne es auszuprobieren, war sie sicher, daß sie für ihre Zwecke nicht mehr zu gebrauchen war. »Wandeln!« Sie fauchte es jetzt fast. »Er wollte dich töten!« Sie zweifelte nicht im geringsten, daß dieser Strahl Stans Ende gewesen wäre, genau wie der aus der Yurthwaffe im Tunnel ihres.
»Es war Karn aus dem Hause Philbur – er, der in Kal-Hath-Tan herrschte. Er, von dessen Blut ich bin. Aber er starb mit der Stadt! Das ist altbekannt! Und doch hast auch du ihn gesehen, nicht wahr? Sag doch …« Seine Stimme wurde zu einem drängenden Schrei. »… daß du ihn gesehen hast!«
»Ich sah einen Mann – einen Raski, wie du sagst – in Schwarz-Rot, aber er hatte das Gesicht des Mundes von Atturn, und du hast behauptet, du kennst es nicht!«
Stans fuhr sich über die schweißnasse Stirn. Er war sichtlich mehr erschüttert, als sie ihn bisher gesehen hatte.
»Ich weiß – was weiß ich? – oder was weiß ich nicht?« Er stellte diese Frage nicht ihr, das war ihr klar, sondern der Welt im allgemeinen. »Ich bin mir überhaupt nichts mehr sicher.«
Mit einem wilden Satz hatte er sie erreicht, ehe sie sich rühren konnte. Er packte ihre Schultern mit schmerzhaftem Griff und schüttelte sie heftig.
»Hast du das getan, Yurth? Alle wissen, daß ihr mit dem Geist spielen könnt, wie ein Raski mit einem Steinchen am Strand. Hast du meinen Geist verwirrt, meine Auge Dinge sehen lassen, die es nicht gibt?«
Das Mädchen riß sich wütend los und wich vor ihm zurück. Sie hielt den nun so gut wie nutzlosen Spiegel vor seine Augen.
»Er hat das getan – mit dem Strahl, den er warf! Überleg dir, Raski, wie es dir ergangen wäre, hätte diese Scheibe ihn nicht zurückgeworfen!«
Stans finsteres Gesicht erhellte sich nicht, aber er warf einen flüchtigen Blick auf den Spiegel.
»Ich weiß nicht, wie es mir ergangen wäre«, sagte er dumpf. »Wir sind in einem vom Bösen gezeichneten Land und …«
Er kam nicht weiter. Sie stürmten hinter den stehenden Steinen am anderen Ufer hervor und rannten durch das aufspritzende Wasser. Manche legten die Entfernung in riesenhaften Sprüngen zurück. Sie waren keine Yurth, keine Raski … Elossa stieß einen Entsetzensschrei aus. Diese Kreaturen waren fremdartig wie nichts, was sie je gesehen hatte.
Verkrüppelte Leiber, mit zu kurzen oder zu langen Gliedmaßen, mit unförmigen Köpfen und gräßlich mißgeformten Zügen – ein Alptraum verwachsener Wesen, menschengleich und doch auf schreckliche Weise monströs. Das Entsetzen, das sie dadurch erregten, lähmte Stans und Elossa und verhinderte ihre sofortige Gegenwehr. Die Kreaturen griffen stumm an. Sie brandeten wie eine Welle über das Wasser auf sie zu.
Elossa bückte sich, um ihren Stab aufzunehmen. Stans hatte noch sein Jagdmesser in der Hand. Aber sie hatten keine Chance. Abscheulich stinkende Leiber umringten sie. Hände mit vier Fingern oder sechs oder mit knochenlosen Tentakeln griffen nach ihnen, rissen sie nieder. Der furchtbare Ekel, der Elossa beim Anblick dieser mißgestalteten Leiber und Gesichter erfüllte, schwächte sie. Sie wehrte sich, aber die Übelkeit war wie ein drückendes Gewicht und lähmte ihren Geist.
Wie eine unaufhaltsame Woge schwemmten sie über die beiden am Feuer und warfen sie zu Boden. Elossa schauderte bei der Berührung dieses ekligen Fleisches. Ihr grauenvoller Gestank raubte ihr den Atem. Sie mußte gegen die nach ihr greifende Bewußtlosigkeit ankämpfen. Stricke wurden grausam um ihre Hand- und Fußgelenke gebunden. Eine der Alptraumkreaturen saß auf ihr, um zu verhindern, daß sie sich dagegen wehren konnte.
Das Schlimmste war (Elossa mußte die Augen schließen, um dieses gräßliche Wesen, dem der Speichel aus den höhnisch verzerrten Mundwinkeln troff, nicht zu sehen), daß diese Kreatur offensichtlich weiblich war. Die Angreifer trugen nur wenig Kleidung – schmutzstarrende Fetzen um die Lenden, ob nun männlichen oder weiblichen Geschlechts.
Das Schweigen, mit der ihr Angriff vor sich gegangen war, wurde nun gebrochen. Grunzen, Pfeifen, Knurren und andere Laute, die nicht halb so verständlich waren wie die von Tieren, verursachten einen ohrenbetäubenden Lärm.
Elossa, der Mittelpunkt einer Meute dieser bestialischen Kreaturen, konnte den Raski durch die gedrängten Leiber nicht sehen. Sie zwang sich, die zu betrachten, die
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